Rheinische Post Kleve

Kandidaten bekennen ein letztes Mal Farbe

- VON ANJA SETTNIK

Zur Podiumsdis­kussion drei Tage vor der Bundestags­wahl hatte das Kreisdekan­at Kleve im Bistum Münster ins Klever Kolpinghau­s eingeladen. Themen waren Soziales, Innere Sicherheit und Umwelt. AfD-Vertreter war nicht eingeladen.

KREIS KLEVE Mit ihrer gemeinsame­n Einladung hatten das Kreiskomit­ee der Katholiken, die Kolpingsfa­milie und der evangelisc­he Kirchenkre­is ein „volles Haus“bewirkt. Alle Plätze im Kolpinghau­s waren besetzt, mancher saß noch an der Theke oder stand davor.

Einen vorderen Tisch direkt vor dem Podium besetzten AfD-Anhänger, die sich offenkundi­g vorgenomme­n hatten zu stören. Alle paar Minuten verließ einer von ihnen den Saal – meist lauthals schimpfend, in einem Fall sogar mit schwungvol­lem Aufklatsch­en einer Grundgeset­z-Auflage auf den Tisch. Die Kan

Alle paar Minuten verließ einer der AfD-Anhänger den Saal – meist

lauthals schimpfend.

didaten im Podium bewahrten die Ruhe, aus den Zuhörerrei­hen erklang ein „AfD raus“. Der AfD-Bundestags­kandidat des Kreises Kleve, Gerd Plorin, war gar nicht erst eingeladen worden.

Auch zu fünft deckten die Bewerber um die Wählerstim­men ein breites Spektrum von Überzeugun­gen ab. Christof Haverkamp, Chefredakt­eur der Bistumszei­tung „Kirche und Leben“, führte sachlich durch den Abend und hatte es dabei mit den unaufgereg­ten Parteienve­rtretern nicht schwer. Etwas emotionale­r fiel die eine oder andere Frage aus dem Publikum aus, insbesonde­re, als es – wie den längsten Teil des Abends – um Sozialpoli­tik ging. Denn von Themen aus diesem Umfeld sind viele Menschen besonders betroffen, zumal unter den Zuhörern viele Rentner saßen.

Michael Rübo, Diakon und hauptamtli­cher Geschäftsf­ührer der Klever Kolpingsfa­milie, hatte sich bei der Begrüßung eine intensive, aber von gegenseiti­gem Respekt getragene Debatte gewünscht. Die bekam er, die Kandidaten gingen anständig miteinande­r um. Stefan Rouenhoff (CDU) und Barbara Hendricks (SPD) tuschelten vor Beginn schon recht vertrauens­voll miteinande­r, auch Bruno Jöbkes (Grüne), Ferdinand Niemann (Linke) und Ralf Klapdor (FDP) taten sich nichts Böses und lächelten zustimmend zu Rübos Angebot, nach der Runde miteinande­r noch ein Glas Bier am Tresen zu trinken.

Haverkamps erste Frage betraf die Integratio­n und ergab zu erwartende Antworten: Der Linke sprach sich generell gegen Abschiebun­g aus. Allenfalls für Schwerkrim­inelle dürfe es Ausnahmen geben. Grünen-Kandidat Jöbkes möchte niemanden nach Afghanista­n abschieben. Klapdor sprach von Humanität und der Notwendigk­eit eines Einwanderu­ngsgesetze­s, während Rouenhoff die Genfer Flüchtling­skonventio­n zitierte. Sprachkurs­e und eine Ausbildung für junge Leute fanden Hendricks und Rouenhoff richtig – beides für die Integratio­n auch nur geduldeter Asylbewerb­er zu nutzen haben die Koalitionä­re schließlic­h mit der „3+2-Regelung“aus dem Asylpaket 2 beschlosse­n.

Soziale Gerechtigk­eit und der Mindestloh­n stellten sich bei der Debatte als sehr beachtete Themen heraus. Dass Die Linke zwölf Euro pro Stunde für nötig hält, die Grünen eine dynamische Anpassung wünschen und die FDP den Mindestloh­n für nicht sinnvoll hält, weil er Arbeitgebe­r zu sehr belaste, ist bekannt. Barbara Hendricks verteidigt­e ihn, wenn er auch „kein guter Lohn sei“. Höhere Löhne müssten die Tarifpartn­er aushandeln, erinnerte sie. Wie eine Verkäuferi­n, die ihr Leben lang wenig verdient habe, im Alter über die Runden kommen soll, konnte niemand auf die Schnelle beantworte­n. Genauso wenig, wie Altersarmu­t zu vermeiden ist, wenn Menschen jahrzehnte­lang nur Minijobs haben. Stichworte wie Betriebsre­nte oder private Vorsorge fielen.

Niemand ließ sich auf das Thekenparo­len-Niveau herab, das ein AfD-Mann aus dem Publikum an den Tag legte: „Es gibt hier nicht genug Geld, weil das Geld nicht bei den Deutschen ankommt.“Stefan Rouenhoff stellte sich bei der Frage „Rente mit 67 oder später“auf die Seite der Kanzlerin; wer hart arbeite, könne das nicht bis 70 durchhalte­n. Barbara Hendricks zeigte sich verwundert über einen Nachfrager, der als über 50-Jähriger bei der Bundeswehr keine Chance mehr habe. Das sei verbotene Altersdisk­riminierun­g, und sie würde gerne mehr darüber erfahren, sagte die SPDKandida­tin.

Für die Themen Innere Sicherheit und Umwelt blieb nicht mehr ganz so viel Zeit. Klar wurde aber, dass die CDU und Rouenhoff gegen Terror und Kriminalit­ät alle Register ziehen wollen: Vorratsdat­enspeicher­ung, Schleierfa­hndung, Videoüberw­achung, mehr Polizei. Dafür und für manches, was Polit-Profi Hendricks sagte, gab’s viel Applaus.

 ?? RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS ?? Im Kolpinghau­s diskutiert­en von links Bruno Jöbkes (Grüne), Ralf Klapdor (FDP), Barbara Hendricks (SPD) unter der Moderation von Christof Haverkamp mit Stefan Rouenhoff (CDU) und Ferdinand Niemann (Linke).
RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Im Kolpinghau­s diskutiert­en von links Bruno Jöbkes (Grüne), Ralf Klapdor (FDP), Barbara Hendricks (SPD) unter der Moderation von Christof Haverkamp mit Stefan Rouenhoff (CDU) und Ferdinand Niemann (Linke).

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