Der Zweikampf um das Direktmandat
Der Wahlkampf, der eigentlich gar keiner war, ist mit dem heutigen Samstag beendet, morgen hat von 8 bis 18 Uhr endgültig der Souverän namens Bürger sein entscheidendes Wort. 226.122 Menschen aus 16 Kommunen des Wahlkreises 112 Kleve bestimmen mit ihren beiden Kreuzchen zum einen Kanzler(in) und farbige Zusammensetzung der Regierung(skoalition) und zum anderen, wer den Kreis Kleve künftig im Bundestag von Berlin vertritt. Bei acht Direktkandidaten des Kreises und 23 teils überaus exotischen Parteien auf dem einen halben Meter langen Wahlzettel kann man getrost wieder von der Qual der Wahl sprechen.
Das gilt nach einem halben Dutzend Bundestagswahlen mit einem haushohen Favoriten namens Ronald Pofalla (der auch jedes Mal gewann) auch für die lokale Ebene. Denn die stets Pofalla unterlegene SPD-Gegenspielerin Barbara Hendricks rechnet sich Chancen aus, zum ersten Mal in der Historie das seit 1949 von der CDU in Erbpacht genommene Direktmandat zu holen – der bundesweite Bekanntheitsgrad und die regionale Beliebtheit der ausgefuchsten Sozialdemokratin sprechen für sich. Allerdings hat der aus der Tasche gezauberte CDU-Kontrahent Stefan Rouenhoff als Seiteneinsteiger mehr als fleißig Klinken geputzt, sich im ganzen Kreis präsentiert, um die gewohnt schwarze Stamm-Wählerschaft von den Sofas an die Urnen zu treiben. Gelingt ihm das, gewinnt er auch.
Bezeichnend für beide: Es gab keinerlei Misstöne, keine bösen Attacken, keine Auseinandersetzungen, weder in Presseerklärungen noch in Podiumsdiskussionen, deren letztes Exemplar gerade in Kleve über die Bühne ging. Das friedliche Verhalten ist freilich nicht nur dem gegenseitigen Respekt geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass beide wissen, dass der Bürger Schlammschlachten und persönliche Anfeindungen, wie von anno dazumal bekannt, nicht goutiert – schon gar nicht mit seiner Stimme.
Offen bleibt die Frage, wie die Wähler anderer Parteien ihre Kreuzchen bei der Erststimme verteilen – denn natürlich weiß heute schon ein jeder, dass die sechs übrigen Bewerber nur Randfiguren sind beim Rennen um Berlin. Kann es also sein, dass liberale Wähler lieber den CDU-Mann und linke oder grüne Wähler lieber die SPD-Frau stärken ? Reine Spekulation derzeit – denn ein Stimmen-Splitting dieser Art kennt man eher umgekehrt, wenn Christdemokraten nämlich, wie mehrmals praktiziert, ihre Zweitstimme der FDP schenken, weil die CDU einen gut ausgestatteten Koalitionspartner benötigt.
Der Ausgang wird auch von der Wahlbeteiligung beeinflusst – klettert die Quote von 71,68 Prozent im Jahr 2013 weiter, dann nutzt das angesichts des schwarzen Wahlkreises sicher Stefan Rouenhoff.
Und, egal wie’s ausgeht: Barbara Hendricks ist als Nummer 2 des Landes NRW mit Sicherheit im nächsten Bundestag.
JÜRGEN.LOOSEN@RHEINISCHE-POST.DE