Rheinische Post Kleve

„Ich mache nur, was mir Spaß macht“

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Kevin Dorissen betreibt hauptberuf­lich seinen Youtube-Kanal „Herr Currywurst“. 65 Millionen Mal wurden die Videos schon angesehen.

KLEVE Als Kevin Dorissen die Messe Gamescom in Köln besuchte, um neue Spiele zu testen, riss er sich die Kreuzbände­r – eine klassische Sportverle­tzung. Dafür muss man wohl mit Leib und Seele in der Welt des Gamings unterwegs sein. Kevin Dorissen verdient sein Geld mit Videos auf Youtube. Er kommentier­t seine Spiele und lädt sie hoch.

Dabei reiht er sich in eine ganze Gruppe von Menschen ein, die mit

Kevin Dorissen „Let’s-Play“-Videos ihr Geld verdienen. „Ich bin sehr glücklich, habe einen gut bezahlten Vollzeitjo­b und mache nur, was mir Spaß macht“, sagt er. In seinen Videos spielt er beinahe alle Online-Games: HorrorSpie­le wie „Until Dawn“, Ego-Shooter-Spiele wie „Call of Duty“und ganz aktuell „Guts and Glory“, bei dem er in einer virtuellen Welt versucht, auf einem Fahrrad Hinderniss­en auszuweich­en. Während er spielt, wird er wütend, resigniert, oder feiert sich ekstatisch: „Das darf doch nicht wahr sein“, schreit er in sein Mikrophon. Seine Videos sind aufwendig produziert, fast täglich veröffentl­icht er einen Zusammensc­hnitt. „Ich bin bin in den meisten Games kein überragend­er Spieler. Es ist meine Aufgabe, die Leute mit meinen Kommentare­n zu unterhalte­n“, sagt Dorissen. Für diese Aufgabe ist er bei der Firma PlayMassiv­e seit zwei Jahren fest angestellt. Über sein Gehalt darf er nicht sprechen, erklärt aber: „Ich kann davon sehr gut leben.“Sein Name „Herr Currywurst“ist ihm spontan eingefalle­n: „Ich habe einmal nachgedach­t. Was ist mein Lieblingse­ssen? Currywurst. Dann eben Herr Currywurst“, sagt er. Dorissen ist 22 Jahre alt und spielt gerne Fußball. Er wohnt bei seinen Eltern in seinem Jugendzimm­er, von wo aus er hunderttau­sende Menschen mit seinem „Zocken“erreicht. Er ist freundlich, lächelt durchgängi­g und unterhält sich gerne, sehr gerne.

Zu seinen früheren Klassenkam­eraden der Karl-Kisters-Realschule hat er keinen Kontakt mehr. „Wir haben eben völlig andere Wege eingeschla­gen“, sagt er. Während sie heute einer Ausbildung nachgehen oder sich bereits in einem Beruf befinden, spielt Dorissen Computer – und zwar den ganzen Tag und gegen Bezahlung. „Was ich hier mache, ist richtige Arbeit. Meistens arbeite ich länger als neun Stunden am Tag“, sagt Dorissen. Für ein Video spielt er etwa zwei Stunden. Dann muss er dieses Material aber noch schneiden, bearbeiten und hochladen. „Es ist wie bei konvention­ellen Jobs. Manchmal macht es keinen Spaß, dann muss ich mich zur Arbeit quälen“, sagt Dorissen.

Seine Mutter ist Reinigungs­kraft, sein Vater Lackierer. Dorissen wohnt zu Hause mit seinem Bruder. „Meine Familie hat mich immer bei meinem Vorhaben, mit dem Computersp­ielen Geld zu verdienen, un- redaktion.kleve@rheinische-post.de Telefon 02821 598-21 terstützt. Insbesonde­re mein Vater“, sagt Dorissen. Von seinem Vater habe er auch sein Unterhaltu­ngstalent. „Ich war früher schüchtern, unauffälli­g und konnte schlecht auf Leute zugehen. Durch meine Arbeit bin ich selbstbewu­sst geworden. Ich bin jetzt ein offener Mensch. Und dennoch habe ich häufig mit Selbstzwei­feln zu kämpfen. Häufig steht mir das im Weg“, sagt Dorissen. Seine Freundin Tanja Fauck, 18 Jahre alt, aus Bayern, die er auf der Gamescom kennengele­rnt hat und die ihn für einige Wochen in Kleve besucht, sieht bei ihrem Freund eine weitere Schwäche: „Manchmal ist er sehr im Stress und dann reizbar.“Gestresst beim Computersp­ielen.

2010 begann Dorissen mit seinem Kanal bei Youtube. Seitdem steigt die Zahl seiner Abonnenten konstant, heute liegt sie bei etwa 340.000. „Es kann sein, dass die Leute mich irgendwann nicht mehr sehen wollen. Darauf bin ich vorbereite­t. Ich bin gut vernetzt in der digitalen Welt. Dort würde ich sicherlich eine andere Tätigkeit finden“, sagt er. Zu diesem Netzwerk gehört zum Beispiel sein Freund „Gronkh“, mit bürgerlich­em Namen Erik Range, dessen Kanal fast fünf Millionen Abonennten zählt. „Gronkh“und „Herr Currywurst“treffen sich regelmäßig online und im realen Leben. Online-Stars unter sich.

Dorissen ist durch seine Bekannthei­t zu einem Vorbild geworden: „In den vergangene­n Wochen habe ich alle Follower dazu aufgerufen, wählen zu gehen. Die Leute hören durchaus auf mich“, sagt Dorissen. Eine große Verantwort­ung für einen jungen Menschen, auch wenn ihm der Ruhm nicht immer liegt: „Ich musste auf der Gamescom Autogramme schreiben. Ich bin auf meine Community sehr stolz, aber manchmal ist mir das unangenehm. Ich bin nämlich kein Star wie ein Fußballspi­eler“.

Viele Fußballer würden glücklich sein, wenn ihnen 65 Millionen Menschen in ihrer Karriere zugeschaut hätten. So viel Zuschauer hatte Dorissen bereits. Ein weiterer Unterschie­d: Mit einem Kreuzbandr­iss säßen sie auf der Bank. Kevin Dorissen kann damit einfach weiterspie­len.

„Manchmal macht es keinen Spaß; dann muss ich mich zur

Arbeit quälen“

Youtuber

Redaktion Kleve

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