Unverzichtbar in der Arztpraxis
Sie managen die Praxis, kümmern sich um die Patienten und müssen stets freundlich sein: Medizinische Fachangestellte sind die rechte Hand von Ärzten.
Patienten begrüßen, Krankenkassenkarte einlesen. Das Wartezimmer organisieren, Befundberichte fertig machen, Blut abnehmen. „Und das Wichtigste ist: Immer die Ruhe bewahren“, sagt Chelsea Quolke. Die 22-Jährige macht eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in einer Rheumapraxis.
Quolke hat schnell gemerkt, dass es im Alltag hektisch werden kann – etwa wenn Patienten unangemeldet kommen. Doch der Umgang mit ihnen muss immer freundlich und einfühlsam sein. „Schön ist es, wenn man merkt, dass man ihnen wirklich helfen konnte“, sagt die junge Frau mit den kurzen lila Haaren.
Die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten, kurz MFA, ist eine der gefragtesten im medizinischen Bereich. Ende 2015 gab es in Deutschland mehr als 37.000 Auszubildende – 98 Prozent davon Frauen. Landläufig werden diese Fachkräfte zwar noch immer als Arzthelferinnen bezeichnet, aber der Begriff ist längst überholt. Denn die MFA sind eben mehr als nur Helfer. Sie sind die rechte Hand des Arztes.
Ein herausfordernder Beruf: „MFA müssen genau sein und empathisch. Sie müssen Organisationstalent haben und wie eine Stewardess immer freundlich lächelnd das Wartezimmer und die Praxisabläufe managen“, sagt Brigitte März vom Verband medizinischer Fachberufe.
März ist selbst Medizinische Fachangestellte, sie hat 1975 ihren Abschluss gemacht. „Ich bin quasi ein Urgestein“, sagt sie. März weiß, wie vielfältig die Tätigkeiten sind, die jede MFA beherrschen muss: „Impfungen vorbereiten, eine Infusion richten, im Notfallmanagement mitwirken, Betriebswirtschaftliches im Blick haben und die Geräte bedienen“, zählt sie auf. Manches Ultraschallgerät sei so teuer wie ein Mercedes.
Quolke macht allerdings das Blutabnehmen am meisten Spaß. „Man sagt mir da eine gewisse Begabung nach“, sagt sie lächelnd. Worauf es ankommt? Fingerspitzengefühl. Ist die Ader dick genug für die Nadel? Wie tief liegt sie? Nur nicht zu langsam stechen, sonst tut es weh. „Toll, wenn man dann von den Patienten eine positive Rückmeldung bekommt.“
So vielfältig wie die Aufgaben einer MFA sind, so vielfältig sind auch die Einsatzbereiche. Denn in jeder Arztpraxis werden Medizinische Fachangestellte gebraucht: sei es beim Internist, beim Augenarzt, in der Frauenarztpraxis, beim Allgemeinmediziner oder Kinderarzt. „Dazu kommen Krankenhäuser, medizinische Labore und betriebsärztliche Abteilungen von Unternehmen“, er- klärt Claudia Böcker vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).
Auch wenn es formal keine Voraussetzungen für die Ausbildung gibt, sehen Arbeitgeber laut Böcker gerne einen Realschulabschluss mit guten Noten – etwa in Biologie oder Mathematik. Wichtig sei auch ein hohes Maß an Sorgfalt, Verantwortungsbewusstsein und Verschwiegenheit. „Und man sollte nicht zu infektanfällig sein“, sagt Böcker.
Während der Ausbildung sind die angehenden Fachkräfte pro Woche zwei Tage in der Berufsschule und drei Tage in der Praxis. „In der Schule werden sowohl die medizinischen Grundlagen vermittelt als auch die Kenntnisse zu Abrechnung und Betriebsorganisation“, sagt Sabine Radtke, die am Oberstufenzentrum Gesundheit in Berlin lehrt. Im Unter- richt sollen die Schüler anhand von Fallbeispielen aus den jeweiligen Organsystemen lernen – etwa Herzkreislauf, Bewegungsapparat oder Verdauungssystem. „Schließlich können die künftigen MFA nicht adäquat auf einen Herzinfarkt reagieren, wenn sie nicht wissen, was das überhaupt ist.“
Den angehenden Fachkräften wird auch erklärt, was sie später dürfen und was nicht. „Sie dürfen beispielsweise keine Medikamente verabreichen – das ist eine reine Arztaufgabe“, sagt Radtke. Verboten sei es auch, eigenständig Patienten wegzuschicken. Und MFA müssten zwar allgemein beantworten können, was beispielsweise ein Leberwert aussagt – wenn sie von den Patienten beim Blutabnehmen danach gefragt werden. Tiefer gehende Aufklärungsarbeit sei aber ebenfalls Aufgabe des Mediziners.
Weil die Auszubildenden während ihrer Lehrzeit zwar ein breites Spektrum an Geräten und Instrumenten kennenlernen müssen, aber nicht alle Ärzte zum Beispiel über ein Ultraschall-, Lungenfunktionsoder EKG-Gerät verfügen, können die Auszubildenden dafür eine andere Praxis besuchen. Sie müssen wissen, wie man die Geräte reinigt, wann diese gewartet werden müssen oder dass man sich beispielsweise für eine Ultraschalluntersuchung das Zimmer leicht abdunkeln muss.
Auch wenn MFA viel Verantwortung haben, ist die Vergütung eher niedrig. Während der Ausbildung können angehende MFA mit einem Gehalt zwischen 730 Euro monatlich im ersten und 820 Euro im dritten Jahr rechnen. „Später im Beruf liegt das Gehalt zwischen 1730 und 2260 Euro“, sagt BIBB-Expertin Böcker.
Um ein möglichst hohes Gehalt zu erzielen, empfiehlt März, sich ständig weiterzubilden und sich hochzuarbeiten. „Das geht beispielsweise über Spezialisierungen wie Strahlenschutz oder Impfmanagement“, sagt sie. Man könne sich auch im Qualitätsmanagement oder in der Palliativversorgung weiterbilden. „Eine gefragte Aufstiegsfortbildung ist auch die zur Nichtärztlichen Praxisassistentin oder zum geprüften Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen“, sagt März.
Auch Chelsea Quolke könnte sich vorstellen, später noch zu studieren. Aber erst einmal will die junge Frau einige Jahre Berufserfahrung als MFA sammeln.
Wichtig ist ein hohes
Maß an Sorgfalt, Verantwortungsbe
wusstsein und Verschwiegenheit