Rheinische Post Kleve

Union zwischen Merkel und Rechtsruck

- VON KRISTINA DUNZ UND GREGOR MAYNTZ

In der CDU bleibt es nach den Wahlen in Hannover und Wien überrasche­nd ruhig. Die CSU will dagegen jetzt „klare Kante“.

BERLIN Angela Merkel bleibt höflich. Mag die CDU-Vorsitzend­e in der Union nach den Wahlen in Österreich und Niedersach­sen jetzt erst recht unter Druck stehen und sich obendrein über opposition­sverliebte Sozialdemo­kraten im Bund ärgern – der niedersäch­sischen SPD sendet die Kanzlerin erst einmal Glückwünsc­he. „Nach der Niedersach­sen-Wahl möchte ich als erstes Herrn Weil gratuliere­n“, sagt die Kanzlerin gestern in der CDU-Parteizent­rale in Berlin an die Adresse des erfolgreic­hen Ministerpr­äsidenten von der Leine.

Neben ihr steht der Wahlverlie­rer, CDU-Spitzenkan­didat Bernd Althusmann. Der kräftige Norddeutsc­he mit der lauten Stimme wirkt ein bisschen trotzig. Er hat es nicht als Rückenwind empfunden, dass die CDU-Führung in Berlin nach den Verlusten bei der Bundestags­wahl wenig Demut zeigte und dieses Signal nicht richtig sandte: „Wir haben verstanden.“Der Wahlkampf sei rau und lehrreich gewesen, sagt er. Es gebe keinen Grund für Euphorie, allerdings auch keinen Anlass, nun in Sack und Asche zu gehen. Die CDU stelle sich ihrer Verantwort­ung – entweder in der Regierung oder in der Opposition.

Merkels Partei hat bei der vierten und letzten Landtagswa­hl in diesem Jahr erstmals gepatzt und ihr Ziel trotz zwischenze­itlich bester Umfragewer­te verfehlt, stärkste Kraft zu werden. Aber irgendwie ficht die CDU-Chefin das nicht wirklich an. Obwohl die 33,6 Prozent eines der schlechtes­ten Ergebnisse der CDU Niedersach­sen überhaupt sind, hat der Landesverb­and an absoluten Stimmen nicht viel verloren und ja sogar Chancen, erstmals nach der Wahlnieder­lage 2013 wieder an die Regierung zu kommen. Und als Schwächung für die Gespräche mit FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition im Bund sieht Merkel die Landtagswa­hl schon gar nicht. „In diese Sondierung­sgespräche gehe ich sehr selbstbewu­sst mit meinen Freunden von CDU und CSU“, beteuert Merkel, ohne eine Miene zu verziehen.

Dabei geht es bei den Freunden von der CSU gerade ganz schön hoch her. Die CDU-Schlappe in Niedersach­sen sowie der Rechtsruck in Österreich mit dem hohen Ergebnis der rechtspopu­listischen FPÖ und dem Sieg der ÖVP mit ihrem jungen und konservati­ven Vorsitzend­en Sebastian Kurz heizen die Diskussion um eine stärkere konservati­ve Ausrichtun­g der Union in Deutschlan­d ordentlich an.

„Das ist ein Auftrag, auch gerade für die beiden Unionspart­eien in Deutschlan­d, das politische Spektrum von der Mitte bis zur demokratis­chen Rechten abzubilden“, fordert CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt.

Der bayerische Vorsitzend­e der Jungen Union (JU), Hans Reichhart, sagt: „Die, die klare Kante gezeigt haben wie Kurz, haben die Wahl gewonnen.“Die CDU in Niedersach- sen habe im Wahlkampf hingegen mit einem Stimmendur­cheinander in der Partei klarkommen müssen. So sei es ein „verheerend­es Signal“gewesen, dass Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) unmittelba­r vor der Landtagswa­hl einen Feiertag für Muslime ins Gespräch gebracht habe.

In der CDU-Vorstandss­itzung im Konrad-Adenauer-Haus geht es bei der Wahlnachle­se nach Informatio- nen unserer Redaktion hingegen ruhig zu. Es kommt nicht zu der erwarteten Kritik des konservati­ven Flügels um Jens Spahn und JU-Chef Paul Ziemiak. Erst habe Merkel sich zu den beiden Wahlen eingelasse­n, dann sei Kürbissupp­e serviert worden. Damit seien kontrovers­e Aussprache­n meistens schon gesättigt, sagt ein Vorstandsm­itglied etwas spöttisch. Allerdings soll es in der letzten halben Stunde durch die Bank Warnungen vor einem Rechtsruck gegeben haben. Die Christdemo­kraten müssten vielmehr bei ihren Kernthemen wie Digitalisi­erung, Wohnungsba­u und solider Finanzpoli­tik bleiben. Das habe Merkel als eindeutige Unterstütz­ung für ihren Kurs verstehen können, heißt es. Und so sagt sie dann auch, der Wahlausgan­g in Wien sei kein Anzeichen dafür, „dass man die Probleme schon gelöst hat, wenn man es so macht wie in Österreich“. Merkel eben ganz selbstbewu­sst.

Schwerer hat es da CSU-Chef Horst Seehofer, den so manche Rücktritts­forderung seit der Bundestags­wahl erreicht hat. Die Partei stellt die Entscheidu­ng über seine Zukunft für die Dauer der JamaikaVer­handlungen aber nun zurück. Seehofers eindringli­che Bitte in einer mit Spannung erwarteten Vorstandss­itzung in München: diese „Schrittfol­ge“einzuhalte­n. Es ist inzwischen aber fraglich, ob es beim Termin Mitte November für den Wahl-Parteitag bleibt. Seehofer nennt es „nicht verkehrt“, die Parteitage von CDU und CSU zum selben Zeitpunkt abzuhalten, vermutlich im Dezember. Unterdesse­n appelliert Ziemiak, „dass alle ihren Beitrag leisten müssen, dass Jamaika gelingt“. Es gehe um die Lösung von Problemen und nicht um rechts oder links.

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