Altkanzler kritisiert Kanzlerkandidat
Gerhard Schröder gibt der SPD Ratschläge und wirbt für Kooperation mit Russland.
MÖNCHENGLADBACH (brö/se) Der Sieg der SPD in seinem Heimatland Niedersachsen hat Altkanzler Gerhard Schröder nicht überrascht. Man habe gemerkt, dass die SPDWahlkämpfer vor einigen Wochen neuen Mut gefunden hätten, sagte er gestern in Mönchengladbach. Und die Deutschen korrigierten gern nach einer Bundestagswahl ihre bisherige Meinung. Davon habe die SPD in Hannover profitiert: „Die Deutschen schätzen die Balance.“
Für SPD-Chef Martin Schulz hatte Schröder dagegen nur Kritisches parat. Die schnelle Absage an die große Koalition nach der Bundestagswahl hätte man anders lösen können, sagte der 73-Jährige, der auf Einladung des Initiativkreises Mönchengladbach in der Stadt war.
Die Gäste erlebten einen Schröder in Bestform: schlagfertig, angriffslustig, humorvoll. Die Reportage im „Spiegel“, die Schulz zuließ und die eine gnadenlose Nahaufnahme eines verzweifelten Wahlkämpfers war, hätte er selbst nie zugelassen, so Schröder: „Wie man sich in einer bestimmten Stresssituation verhält, das geht euch nichts an.“Wer dann noch in die Politik ge- hen solle bei so einer gnadenlosen Öffentlichkeit, fragte er.
Die SPD brauche jetzt eine programmatische Erneuerung. Gerechtigkeit sei wichtig, aber die Partei müsse zugleich wissen, dass alles, was verteilt werde, vorher erarbeitet werden muss. Oder in Schröders Worten: „Sozialdemokratie heißt gerechtes Verteilen, aber auch ökonomische Kompetenz.“
Vor rund 1000 Gästen mahnte der Altkanzler die Parteien in Berlin zu schnellen Koalitionsverhandlungen. Europa brauche stabile Verhältnisse. „Auch im Interesse unseres Landes sollten Verhandlungen zügig abgeschlossen werden“, sagte Schröder. Unabhängig davon, wo man sich politisch verorte, habe Deutschland große Verantwortung.
Schröder verteidigte sein umstrittenes Engagement beim russischen Ölkonzern Rosneft, zu dessen Aufsichtsratschef er jüngst gewählt worden war. Der Posten sei eine „große Herausforderung, die ich gerne annehme“. Deutschland müsse Russland „integrieren in die Weltwirtschaft, nicht isolieren“. Für Europa sei Russland der wichtigste Nachbar: „Wir brauchen die Ressourcen. Wir haben kein Interesse daran, nicht mit Russland zusammenzuarbeiten.“Dazu gehöre Realismus: „Die Krim ist ur-russisch. Sie wird von keinem russischen Präsidenten zurück an die Ukraine gehen.“
Schröder forderte ein neues Assoziierungsabkommen der EU mit Russland. Nur an der Seite Russlands könne Europa in der globalisierten Welt bestehen: „Das bedeutet mehr und nicht weniger Zusammenarbeit.“Er mahnte deshalb, Europa dürfe Russland und die Türkei nicht nach Asien abdriften lassen. Wenn es gelinge, Europa zu gemeinsamem Handeln zu bewegen, dann könne man in der Weltpolitik bestehen.