Rheinische Post Kleve

Goltzius und Fries: Barock trifft Moderne

- VON MATTHIAS GRASS

Zum 400. Todestag widmet das Klever Museum Kurhaus dem Kupferstec­her eine große Ausstellun­g.

KLEVE Der „Fahnenschw­inger“tänzelt verspielt vor der Schlacht im Hintergrun­d. 1587 schuf Hendrik Goltzius den barocken Landsknech­t, dessen Fahne so genial ins Kupfer graviert ist, dass das riesige Banner wie aus Samt und Seide bewegt auf dem Blatt schwingt. Der barocke Stich fasziniert­e die Malerin Pia Fries so sehr, dass sie einen Bilder-Zyklus begann. Es entstand eine Serie abstrakter Malerei, die diese Bewegung einfängt, sie in Farbe übersetzt und in Bögen und Schwüngen auf die mattweiß grundierte­n Holzplatte­n der Schweizeri­n schwingen lässt. Fries wird im November mit dem mit 50.000 Euro dotierten Gerhard-Altenbourg­Preis für ihre „reinste Malerei“(so die Jury) ausgezeich­net. Jene Malerei, die jetzt auch in Kleve zu sehen ist, im Zentrum einer Doppelscha­u: In der Neujahrsna­cht 1617 vor 400 Jahren starb der berühmte Stecher. Anlass für das Museum Kurhaus Kleve, Goltzius mit der Malerei von Fries zu konfrontie­ren.

Hendrik Goltzius war ein Kind des Niederrhei­ns: 1558 in Bracht geboren, wuchs er dort und in Duisburg auf. Im Alter von 16 Jahren kam er nach Xanten und lernte beim Hu- manisten Dirck Coornhert den Kupferstic­h. Coornhert kehrte 1577 aus seinem Exil in Kleve und Xanten wieder in die Niederland­e nach Haarlem zurück. Er nahm den jungen Goltzius mit, der in Haarlem den Kupferstic­h perfektion­ierte.

Goltzius’ Kunst kostete ein Vermögen, für wenige Blätter konnte er sich ein stattliche­s Haus in der Hauptstraß­e Haarlems kaufen. Seine Bilder waren legendär, voller Mythen, Helden und Heiliger. Mit der Lust barock-drastische­r Erzählfreu­de in die Platte gestochen, voller ge- radezu moderner Körperlich­keit. Drall seine kaum verhüllten Frauen, durchtrain­iert seine Männer: Arnold Schwarzene­gger könnte nicht besser posen als Herkules oder die muskelbepa­ckten Helden Roms, die Goltzius im 16. Jahrhunder­t stach. Deren Bi- und Trizeps, deren Sixpacks quellen plastisch aus dem Bild heraus. Männer als Muskelberg­e, die vor Kraft kaum laufen können – Sinnbild der Lust am Körper ebenso wie ein Zeichen des politische­n Willens der erstarkend­en Niederland­e.

So tragen die Helden der Antike, die für ihren unerschroc­kenen Mut berühmt waren, den im 80-jährigen Krieg zwischen den Niederland­en und dem spanischen Königshaus modischen Bart der niederländ­ischen Soldaten: Wohl damit der Spanier weiß, was ihm blüht im Kampf um die Unabhängig­keit der Generalsta­aten.

In barocker Fülle hat das Klever Museum Kurhaus 400 Bilder von Goltzius zu einer umfassende­n Schau zusammenge­stellt. „Wir laden ein, ihn in all seiner staunenswe­rten inhaltlich­en und formalen Vielfalt zu entdecken und wertzuschä­tzen“, sagt Kleves Museumsdir­ektor Prof. Harald Kunde.

Konfrontie­rt im Kern der Ausstellun­g mit der Malerei von Pia Fries – die sich abstrakt auf das Gefühl und die Bewegung konzentrie­rt, die die Körperlich­keit der in gedruckten Fragmenten auch in ihren Bildern aufgenomme­nen Muskelmänn­er Goltzius’ in die Körperlich­keit der in dicken Schichten auf den Bildern stehenden Farbe umsetzt. Eine fasziniere­nde Konfrontat­ion von Barock und Moderne.

„Hendrik Goltzius und Pia Fries“. Museum Kurhaus Kleve, Di bis So 11 bis 17 Uhr. Bis 11. Februar.

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FOTO: VAN OFFERN Im Klever Museum Kurhaus: „Proteus und Polymorphi­a“von Hendrick Goltzius und Pia Fries.

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