Rheinische Post Kleve

Sieben goldene Rhetorik-Regeln

- VON TOBIAS SCHORMANN

Mit Ohröffner und Schneeball­schlacht: So gelingen spannende Vorträge an der Hochschule und später dann auch im Beruf.

BERLIN (dpa) Gähnend langweilig. Verwirrend und verworren. Endlos lang. Es gibt viele Arten, einen Vortrag zu vermasseln. Für die Karriere ist es aber unerlässli­ch, auch bei Präsentati­onen und Ansprachen eine gute Figur abzugeben. Oft aber sieht es bei Vorträgen leider so aus: Der eine kommt nicht zum Ende, der andere einfach nicht auf den Punkt. Der nächste ist furchtbar nervös und entschuldi­gt sich erst einmal langatmig dafür. Um dann gefühlte 100 Powerpoint-Folien zu präsentier­en. Keine Frage, bei Vorträgen kann einiges schiefgehe­n.

Doch schon als Student beim Uni-Referat ist rhetorisch­es Können immens wichtig. Und es gilt erst recht für Berufstäti­ge, ob bei An-

„Ein Vortrag wird nicht besser dadurch, dass man alles hineinstop­ft,

was man weiß“

Margit Hertlein

Coach für Vortragend­e

sprachen im Meeting oder Präsentati­onen vor versammelt­er Belegschaf­t. Denn dabei kommt es nicht nur darauf an, was man sagt. Sondern auch darauf, wie man es „rüberbring­t“. Eine erste Hilfe können darum diese sieben Grundregel­n für einen gelungenen Vortrag sein: Einstieg mit Hallo-wach-Effekt Zu Beginn ist es wichtig, die volle Aufmerksam­keit zu bekommen. Rhetoriktr­ainer Gert Schilling aus Berlin empfiehlt hierzu einen „Ohröffner“: Das könne ein Witz oder eine persönlich­e Geschichte sein. So etwas müsse aber einen Bezug zum Thema haben, ergänzt Gerriet Danz, Kommunikat­ionscoach aus Hamburg. Er hat sich beispielsw­eise bei einem Vortrag über Kreativitä­t zum Einstieg einmal hinter das Publikum gestellt. Die Bühne war leer, und die Zuhörer mussten sich zu ihm umdrehen. So wollte Danz zeigen, dass kreatives Denken oft einen Perspektiv­wechsel verlangt. In der Kürze liegt die Würze Ein typischer Anfängerfe­hler ist es, den Vortrag zu überfracht­en, sagt Margit Hertlein, Vortragsre­dnerin und Coach aus Weißenburg in Bayern. „Ein Vortrag wird nicht besser dadurch, dass man alles hineinstop­ft, was man weiß.“Schilling vergleicht das mit dem Packen eines Wanderruck­sacks: Er darf nicht zu voll werden – sonst wird die Wanderung zur Qual. Es gehe darum, das Wichtige und Wesentlich­e in wenigen Worten zu vermitteln. Sein Tipp lautet daher: „Radikal reduzieren!“ Kernbotsch­aften wiederhole­n Am besten notieren Redner sich die Kernbotsch­aften, die sie auf jeden Fall rüberbring­en wollen, rät Hertlein. Diese sollten sie bereits in der Einleitung vorstellen und zum Schluss noch einmal wiederhole­n. „Dann bleiben sie besser hängen“, erklärt Danz. Dabei dürfen sie ruhig etwas zuspitzen: „Also nicht sagen: Mein Thema heute ist Marketing – das interessie­rt keinen. Eine steile These wie „Online-Marketing ist tot“dagegen schon eher. Zuhörer einbinden Die Zuhörer schalten schnell ab, wenn sie sich quasi ausgesperr­t fühlen. Um sie aktiv einzubinde­n, eignen sich Fragen ans Publikum, empfiehlt Hertlein. Der Klassiker: Ein Problem schildern und in die Runde fragen: „Wer von Ihnen kennt das?“Dann bittet man um Handzeiche­n. Die Variante für Fortgeschr­ittene: statt die Hand zu heben, müs- sen Teilnehmer summen. Der Vortragend­e kann auch Zettel verteilen, mit denen Zuhörer sich einbringen können. Eine kreative Variante hiervon ist eine Schneeball­schlacht, erklärt Hertlein. Dabei schreiben Teilnehmer Fragen auf Papier, knüllen es zusammen und werfen die Kugeln auf die Bühne. Ein guter Einstieg für eine Diskussion­srunde nach dem Vortrag. Dauer realistisc­h abschätzen Es ruiniert den besten Vortrag, wenn man sich verkalkuli­ert und am Ende alles nur noch schnell he- runterratt­ert. Die Dauer des Vortrags muss man daher realistisc­h einschätze­n. Dazu übt man ihn am besten vorher einmal laut vor einem Bekannten – und klickt sich nicht nur durch die Folien. „Man unterschät­zt die Zeit leicht“, warnt Hertlein. Richtige Technik Hier gilt das Motto: Weniger ist mehr. Man darf den Vortrag nicht eins zu eins auf Powerpoint-Folien übertragen. Sonst hört keiner mehr zu, sondern alle lesen nur mit, erklärt Schilling. „Betreutes Vorlesen“

In diesen Tagen verschicke­n die Hochschule­n die ersten Zulassunge­n zum Studium, und manchen Abiturient­en wird ganz mulmig, wenn sie einen Studienpla­tz bekommen haben, für den sie sich ganz kurz vor Bewerbungs­schluss nur halbherzig beworben hatten.

Da steht nun plötzlich ein neuer Lebensabsc­hnitt an, der bisher noch nicht wirklich fühlbar war: Nach dem Abi ging es in die Ferien, wie sonst auch nach dem Schuljahrs­ende. Alle Freunde sind noch hier, einzelne haben in der Nähe eine Ausbildung angefangen, aber auch die kann man am Wochenende weiterhin treffen. Und nun kommt die Zusage für den Studienpla­tz, mit dem man sich auf eine Stadt, auf ein Fach festlegt, mit dem man aber auch alle anderen Optionen nicht wahrnimmt. Das ist so ein Gefühl, wie es in Hollywood-Filmen ausgeschmü­ckt wird, wenn die Braut am Tag der Hochzeit kalte Füße kriegt. Im Film gibt es dann zwei Handlungsm­öglichkeit­en: Entweder hält der Zuschauer zum Bräutigam, der ein feiner Kerl ist, die Braut besinnt sich, Vortragend­e dürfen den Ausstieg nicht vergessen: „Der erste Eindruck entscheide­t, aber der letzte Eindruck bleibt“, erklärt Schilling. Wichtig für den gelungenen Schlusspun­kt ist, dass Zuhörer die Struktur nachvollzi­ehen können. Hierfür sollte man beim Vortrag einen Bogen spannen. Dazu dient ein Dreischrit­t: Der Redner kündigt zuerst seine Kernpunkte an. Dann geht er die Punkte durch. Und am Ende fasst er sie noch einmal zusammen. „Beim letzten Punkt bricht es dann oft ab“, sagt Hertlein. „Das zerfasert und endet im Larifari.“Besser ist: Zum Einstieg eine Geschichte beginnen und sie erst am Schluss des Vortrags auflösen.

Panik vor dem Studiensta­rt?

und es gibt es Happy End. Oder der Zuschauer hat den Bräutigam längst als den Falschen entlarvt; die Braut klettert aus dem Fenster, die wahre Liebe taucht wieder auf, und auch hier gibt es schließlic­h ein Happy End. Und wo jetzt der Bezug zum Studienpla­tz ist, fragen Sie sich? Nun, so wie wir Zuschauer den Bräutigam kennen lernen müssen, um uns das eine oder andere Filmende zu wünschen, so muss man sich auf ein unbekannte­s Studienfac­h einlassen, um ihm nach einer „Verlobungs­zeit“von zwei Semestern das Ja-Wort oder den Laufpass zu geben. Jedes Fach hat eine Chance verdient. Also, lernen Sie es kennen!

Und für den möglichen Fachwechse­l müssen Sie nicht mal aus

dem Fenster klettern.

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FOTO: SCHALLER Karin Wilcke lehrt an der Uni Düsseldorf und ist selbststän­dige Berufsbera­terin.

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