Rheinische Post Kleve

Photo-Pracht in Schwarz und Weiß

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ge fotografie­rte die Frau 1936 während ihrer Reportage über die entwurzelt­en Menschen, es erzählt von der Last, von der Ungewisshe­it, wie es weitergeht. Mit ihr, mit den Kindern, die sich, vielleicht aus Scham, vielleicht aus Angst, rechts und links neben der Mutter verstecken.

Lange sah die Frau in ihrem provisoris­chen Zelt im Vorbeifahr­en. Sie hielt an, fotografie­rte die Szene von weitem, ging auf die Frau zu, fotografie­rte wieder und wieder zu bis sie das später weltberühm­te Foto hatte. Ein Bild, das man aus Büchern kennt, das sich ins allgemeine Gedächtnis eingeprägt hat. Es hängt jetzt als Barytabzug in der Kranenburg­er Ausstellun­g „Photograph­ie aus der Sammlung Barbara und Horst Hahn“, die am Sonntag eröffnet wurde. Die Ausstellun­g zeigt mehr, als nur die Ikone – es zeigt auch den Weg der Annäherung, die Bilder, die Lange vorher machte die jetzt „Migrant Mother“rahmen.

Allein Langes Fotos ist die Reise wert in den alten Katharinen­hof inmitten der kleinen Grenzfeste. Doch Lange ist nur eine Ikone. Da ist Man Rays genauso weltberühm­tes und oft zitiertes Foto von Kiki de Montparnas­se (eigentlich hieß sie Alice Prin) – ein Rückenakt als Violine. Die Fotos des amerikanis­chen Fotografen, Regisseurs, Malers und Objektküns­tlers füllen eine ganze Wand – ein tiefer Blick in die Pariser Boheme der 1920er und 1930er Jah- re. Gleich gegenüber hängen die russischen Avantgardi­sten El Lissitzky und Rodtschenk­o, Letzterer mit seinem Blick auf eine Treppe, die das neue Sehen zeigen sollte: grafisch, elegant und klar.

Doch auch Rodtschenk­o ist nicht nur mit seinem bekannten Bild in Kranenburg vertreten. Gleich daneben führt ein Blick steil hinab in der für den Russen so typischen bis dahin unbekannte­n Perspektiv­e eine Feuerleite­r hinunter. Die Bilder einer neuen Ästhetik stehen hier gegen Langes sozialkrit­ischer Reprotagef­otografie. Dabei auch die Fotografin Tina Modotti, die bei Frida Kahlo und ihrem Mann Rivera in Mexiko fotografie­rte und zuvor Model beim berühmten Edward Weston war. Klar, dass auch dessen Bilder in Kranenburg zu sehen sind. Oder von einem unbekannte­n Pariser Zeitungsfo­tografen ein Porträt Yves Montand und Marilyn Monroe.

Er sei Purist, sagt Horst Hahn, der seit Anfang der 1970er Jahre, angeregt von „Mister Photokina“(so Hahn) Fritz Gruber, anfing, Fotografie zu sammeln. Fotos in schwarz-weiß, abgezogen auf Papier, vielleicht sogar noch als Originalab­zug des Fotografen. Fotografen, die gerne zu ihm kamen und ihm auch das Bild signierten. So wie Tim Gidal, der deutsch israelisch­e Fotograf gilt als einer der Pioniere des modernen Fotojourna­lismus. Er brachte bei Besuchen statt einer Blume Fotos mit Widmung mit. Für Hahn hat so jedes Bild drei Ge- schichten – die, die es als Teil der Entwicklun­g moderner Fotografie erzählt, das was es zeigt und schließlic­h die ganz private als Sammler. Als Sammler, der der sich über den Originalab­zug freut, den er in einer kleinen Galerie tauschen konnte. Als Sammler, der von den Stempeln und den kyrillisch­en Buchstaben auf der Rückseite des Rodtschenk­o-Fotos berichtet, das posthum abgezogen wurde. Als Sammler, der auf die Beschädigu­ngen im Film verweist, die im Laufe der Geschichte entstanden. Und schließlic­h als Horst Hahn, der sich selber sieht in den Bildern der Kohle klauenden Kinder in Köln, die Herman Claasen in der zerstörten Domstadt machte. Dieses „Fringsen“war ja kirchlich abgesegnet und auch Hahn klaute vom fahrenden Zug. Abgerundet wird die Ausstellun­g mit einem Blick auf das Design von Fotoappara­ten und der Sammlung früher Daguerroty­pien aus der Jahrhunder­twende. Denn die Sammlung Hahn hat nicht nur 1200 Fotos, sondern auch diese Zeugnisse früher Lichtbildk­unst.

Tim Gidal brachte bei Besuchen statt Blumen

Fotos mit einer Widmung für den Sammler

Horst Han mit

 ?? RP-FOTO: MGR ?? Horst Hahn vor Man Ray: Tief in die Geschichte der Fotografie blickt die Ausstellun­g mit Bildern aus der Sammlung des Kölners im Kranenburg­er Museum Katharinen­hof. Die Fotos sind bis zum 25. Februar 2018 zu sehen
RP-FOTO: MGR Horst Hahn vor Man Ray: Tief in die Geschichte der Fotografie blickt die Ausstellun­g mit Bildern aus der Sammlung des Kölners im Kranenburg­er Museum Katharinen­hof. Die Fotos sind bis zum 25. Februar 2018 zu sehen

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