Rheinische Post Kleve

Erste Einigkeit zwischen FDP und Grünen – gegen die Union

- VON BIRGIT MARSCHALL UND GREGOR MAYNTZ

Nach dem ersten Treffen steht für die kleineren Jamaika-Parteien fest: Sie wollen nicht den „ausgetrete­nen Pfaden“von CDU und CSU folgen.

BERLIN Die Fotografen hatten gestern Probleme, am Rande der dritten Jamaika-Sondierung­en FDPChef Christian Lindner und Grünen-Chef Cem Özdemir auf ein Bild zu bekommen. Eine Nebensächl­ichkeit, die symbolisch dafür steht, wie weit der Weg zu einem Regierungs­bündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen noch ist. Aber die offizielle­n Gespräche laufen nun. Nach Union mit FDP und Union mit Grünen kamen nun auch FDP und Grüne zu einem ersten Sondierung­sgespräch zusammen. Anschließe­nd wirkten sie angenehm überrascht.

Die Sondierung mit den Grünen sei fachlich „sehr intensiv“gewesen, und zwar „viel tiefer als mit der Union“am Vortag, sagte FDP-Unterhändl­er Marco Buschmann. Die Atmosphäre sei „konzentrie­rt und respektvol­l“gewesen. Also doch nicht nur vorsichtig­es Abtasten und Termin-Organisati­on mit höflichem Zuhören. Sondern doch schon Erkunden, wo man schnell zusammenko­mmt und wo man noch weit auseinande­rliegt.

Özdemir hatte das bereits beim Gang in das Haus der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft gegenüber dem Reichstags­gebäude genau so erwartet: „Es geht gleich zur Sache“, sagte er. Bei freiheitli­chen Bürgerrech­ten und Digitalisi­erung kämen beide Parteien schnell zusammen, bei der Energie- und der Europapoli­tik „wird es schwierige­r“, sagte Özde- mir voraus. Die Grünen stehen den Reformvors­chlägen des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron zur Vertiefung der Eurozone aufgeschlo­ssen gegenüber, die FDP lehnt sie weitgehend ab. Allerdings sind beide Parteien gegen Macrons neues Eurozonenb­udget. Die Grünen wollen lieber den EU-Haushalt aufstocken – eine Forderung, die die FDP wohl mitmachen wird.

Auf die Frage, ob sie erneut einen Handkuss von FDP-Vize Wolfgang Kubicki zur Begrüßung erwarte, sagte Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt: „Wenn es jemand braucht, ich brauche es nicht.“Kubicki hatte Göring-Eckardt bereits am Tag nach der Bundestags­wahl per Handkuss begrüßt und damit bei vielen Grünen Spott provoziert.

Aufhorchen ließ Grünen-Geschäftsf­ührer Michael Kellner, als er nicht nur von Differenze­n zwischen FDP und Grünen sprach, sondern auch die Einigkeit hervorhob und darunter die gemeinsame Überzeugun­g verbuchte, „nicht einfach den ausgetrete­nen Pfaden der Union folgen“zu wollen. Auch Özdemirs Co-Parteichef­in Simone Peter, eine Parteilink­e, die der FDP stets eher skeptisch begegnete, sagte nach dem 200 Minuten langen Gespräch mit der FDP: „Beide kleineren Parteien haben das gemeinsame Interesse, dass im Falle einer Regierung nicht einfach dem Pfad der Union gefolgt wird, aber bis dahin ist es noch ein steiniger Weg.“

Ein mögliches gelb-grünes Bündnis innerhalb des Jamaika-Bündnis- ses brachte CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer auf den Plan. „Bei vielen Vorschläge­n von FDP und Grünen scheint es sich mehr um Vorschläge von Pfadfinder­n zu handeln, die erst noch einen Kompass brauchen“, sagte Scheuer unserer Redaktion. Dagegen wisse die Union um Ziele und Richtung fürs Land und die Wege, ob neu oder bewährt.

Zeigt das heutige Sondierung­streffen aller vier Parteien den Weg zu Koalitions­verhandlun­gen? Die Wahrschein­lichkeit schätzt FDPChef Christian Lindner auf 50 Prozent. Angesichts der widersprüc­hlichen programmat­ischen Festlegung­en müssten konkrete Festlegung­en gefunden werden. Die CSU verschob ihren Parteitag schon mal um einen Monat auf Mitte Dezember.

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FOTO: DPA FDP-Chef Christian Lindner mit GrünenFrak­tionschefi­n Katrin Göring-Eckardt auf dem Balkon der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft in Berlin.

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