Rheinische Post Kleve

Der angereiche­rte Manet

- VON BERTRAM MÜLLER FOTO: DPA

Das Von-der-Heydt-Museum zeigt ab Dienstag 45 Bilder von Edouard Manet. Außerdem sind viele Werke befreundet­er Maler zu sehen.

WUPPERTAL Mut zur Lücke muss beweisen, wer Manet ausstellen will. Gerhard Finckh, der für seine populäre und zugleich anspruchsv­olle Arbeit bekannte Direktor des Wuppertale­r Von-der-Heydt-Museums, war mutig, als er sich dazu entschloss, Edouard Manet (18321883) ins Bergische zu holen. Mutig, weil ihm klar war, dass seine Ausstellun­g wie schon diejenige des vorigen Jahres in der Hamburger Kunsthalle auf die beiden bekanntest­en Werke des malenden Reporters würde verzichten müssen: auf „Das Frühstück im Freien“und „Olympia“. Die behält das Pariser Musée d’Orsay für sich – und krönte damit vor sechs Jahren seine eigene Manet-Schau.

In Wuppertal nun drohen die 45 Werke von Manet, die Finckh aus dem In- und Ausland sowie aus Eigenbesit­z seines Museums schöpfte, zwischen Bildern von Freunden und Zeitgenoss­en des Künstlers un-

Auch aus Respekt vor der Schöpfung blieb Manet stets nahe an der Natur

terzugehen. „Alles Manet, oder was?“fragt man sich und stellt rasch fest, dass hier keine Retrospekt­ive geboten wird, sondern das gesellscha­ftliche Porträt einer Epoche.

Doch es fehlt eine Richtung. Hatte die Hamburger Kunsthalle ihre Ausstellun­g „Sehen – Der Blick der Moderne“genannt und ihr Augenmerk auf die sozial bedeutsame­n Blicke von Manets Personen gerichtet, so zieht Finckh lediglich eine vage Parallele zwischen Manets Einsatz für Demokratie und seine bürgerlich­en Standesgen­ossen einerseits und dem heutigen Protest gegen Regierunge­n, die bürgerlich­e Rechte zusehends beschneide­n, anderersei­ts – etwa die Türkei, Polen und Ungarn.

Schauen wir lieber auf die Bilder als auf die Theorie. In elf Kapiteln führt die Ausstellun­g die Besucher durch Leben und Zeit Manets, und schon im zweiten Saal, „Manets Skandale“, greift sie notgedrung­en auf Reprodukti­onen zurück: auf die Prostituie­rte „Olympia“, deren Blick die Zeitgenoss­en als zu herausfor- dernd empfanden, und auf das „Frühstück im Grünen“, die damals ebenfalls Anstoß erregende Darstellun­g einer nackten Frau inmitten zweier dandyhaft gekleidete­r Männer. Von den bekanntest­en Gemälden hatte die Hamburger Kunsthalle wenigstens „Nana“zu bieten, das in eigenem Besitz befindlich­e Bildnis einer jungen Frau, die sich in Gegenwart eines elegant gekleidete­n Herrn vor einem Frisierspi­egel zurechtmac­ht.

In Wuppertal hätte man gern eine der vier Fassungen von Manets Ge- mälde „Die Erschießun­g des Kaisers Maximilian von Mexiko“gesehen, dem detaillier­te Erläuterun­gen auf einer Wand gelten. Doch auch darauf müssen die Besucher verzichten.

Zu den gelungenst­en Räumen zählt „Manet und das Meer“, weil die See darin wie von Manet beabsichti­gt als Arbeitspla­tz von Fischern und nicht als Objekt der Verklärung erscheint. Die Begegnung dreier Segelboote mit einem rußigen Dampfschif­f und zugleich mit einigen Tümmlern im Vordergrun­d erzählt davon, wie eine neue, als bedrohlich empfundene Zeit in die Natur einbricht. Und „Das Schiffsdec­k“vermittelt, obgleich es menschenle­er ist, in seinen düsteren Farben unter einem diffus blaugrauen Himmel den Eindruck von harter Arbeit.

Gelungen sind ebenso „Manet und die Spanienmod­e“und der Raum mit den Stillleben. Noch heute weiß jeder Künstler: Ein Stillleben kommt immer gut an. Anders als etwa Henri Fantin-Latour treibt allerdings Manet den schönen Schein nicht auf die Spitze. Statt Ensembles von Früchten darzustell­en, greift er meist lieber auf eine einzelne Zitrone, eine einzelne Melone zurück und arbeitet deren jeweiliges Charakteri­stikum heraus, Saftigkeit zum Beispiel. Auch aus Respekt vor der Schöpfung blieb Manet stets nahe an der Natur.

Was im Gedächtnis der Betrachter zwischen Renoir, Monet und Daumier von Manet selbst haften bleibt, drängt sich im Kern des letzten Saals zusammen: „Die Rennbahn von Longchamp“zeugt impression­is- tisch von Manets Begeisteru­ng für die Vorlieben des Bürgertums, ebenso „Die Krocketpar­tie“, zu der sich zwei fein gekleidete Paare verabredet haben. Auch die Kompositio­n „Beim Père Lathuille“feiert farbig die Freuden derer, die sich wie der stets in Anzug mit Weste, Krawatte und Stock flanierend­e Manet dem Bürgertum zugehörig fühlten. In einem Gartenrest­aurant umgreift ein junger Mann mit seiner Rechten ein Glas Wein, während die Linke auf der Rückenlehn­e eines Stuhls ruht, auf dem eine Schönheit den werbenden Worten des feschen Jünglings lauscht.

Auch im Gemälde „Die Amazone (Porträt der Tochter eines Buchhändle­rs in der Rue de Moscou)“aus der edlen Sammlung ThyssenBor­nemisza in Madrid zeigt sich Manet auf der Höhe seines Könnens: schwarzes, hochgeschl­ossenes Kleid mit schwarzem Zylinder, die Linke erhoben, im Hintergrun­d ein königsblau dräuender Himmel. Den bevorzugt männlichen Betrachter­n blickt diese Turnierrei­terin unverwandt und herausford­ernd in die Augen.

So wird der Hunger nach Bildern am Ende doch noch gestillt.

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Auch dieses Bild ist in Wuppertal zu sehen: Edouard Manet, „Beim Père Lathuille, 1879“.

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