Rheinische Post Kleve

Glyphosat sorgt für deutsches Dilemma

- VON MARKUS GRABITZ UND EVA QUADBECK

SPD und CDU sind uneins bei der Frage, ob das umstritten­e Pflanzensc­hutzmittel weiterhin erlaubt sein sollte.

BRÜSSEL/BERLIN Die Europäisch­e Union will in der kommenden Woche über den weiteren Einsatz des Pflanzengi­fts Glyphosat auf Äckern entscheide­n. Die Bundesregi­erung wird sich bei dieser Entscheidu­ng voraussich­tlich enthalten. Denn Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt ist für einen weiteren Einsatz, während Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) Glyphosat von den Äckern verbannen will.

Eine Vorentsche­idung fiel gestern. Der Umweltauss­chuss des Europaparl­aments sprach sich gegen einen weiteren Einsatz des Unkrautver­nichters aus. Die deutsche Umweltmini­sterin begrüßte den Beschluss: „Es entspricht meiner Position, dass wir Glyphosat nicht weiter zulassen sollten.“Glyphosat sei ein Pflanzengi­ft, das nachgewies­en die Artenvielf­alt bedrohe. „Deshalb hoffe ich sehr, dass auch die EU zu dem Beschluss kommt, die Zulassung für Glyphosat nicht zu verlängern.“Hendricks meinte, die Landwirtsc­haft könne in Deutschlan­d auch ohne Glyphosat betrieben werden. „Pflügen ist zum Beispiel auch ein Mittel der Wahl.“

Die europaweit­e Zulassung von Glyphosat läuft am 15. Dezember aus. 2016 war eine Verlängeru­ng für den Einsatz des Unkrautver­nichters um zehn Jahre gescheiter­t. Auch damals schon legte die SPD ihr Veto gegen einen ausgehande­lten Kompromiss ein, woraufhin sich die Bundesregi­erung bei der Abstimmung in Brüssel enthalten musste.

Wie schädlich Glyphosat tatsächlic­h ist, ist umstritten. Die beiden EU-Agenturen für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) sowie für Chemikalie­n (ECHA) bescheinig­en dem Mittel Unbedenkli­chkeit. Die Internatio­nale Agentur für Krebsforsc­hung der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) IARC hingegen hält Glyphosat für „wahrschein­lich Krebs auslösend“.

Am 25. Oktober will die EU-Kommission unter den 28 Mitgliedsl­ändern über die Verlängeru­ng der Zulassung für Glyphosat um zehn Jahre abstimmen lassen. Sollte der Abgesandte der Bundesregi­erung aus Berlin dabei, wie so häufig in den letzten Jahren, nicht die Weisung für ein klares Ja oder klares Nein mitbringen, geht die Hängeparti­e weiter. Dann kommt vermutlich wieder keine qualifizie­rte Mehrheit zustande, weil nicht mindestens 16 Mitgliedsl­änder mit „Ja“oder „Nein“stimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerun­g repräsenti­eren. Dann könnte die Kommission selbst entscheide­n.

Doch EU-Kommissar Vytenis Andriukait­is hat bereits mehrfach angekündig­t, dass die Kommission dies nicht will. Sie will nicht den Schwarzen Peter zugeschobe­n bekommen für die Zulassung eines Mittels, das in weiten Teilen der Bevölkerun­g nicht mehr gewünscht wird. Damit steigt die Wahrschein­lichkeit, dass die Zulassung für Glyphosat, das im Ackerbau im großen Stil eingesetzt wird, ausläuft.

Für die Bauern würde es schwierig. Vermutlich wäre noch die nächste Ernte gesichert. Doch nach einer Übergangsf­rist von bis zu 18 Monaten würden sowohl der Verkauf als auch der Einsatz des Mittels in der EU verboten, das als Allround-Pflanzensc­hutzmittel vielfach mit einem Breitband-Antibiotik­um verglichen wird.

Die Debatte um Glyphosat wird immer emotionale­r geführt. Die Gegner von der Initiative „Stop Glyphosate“haben mit über einer Million genügend Unterschri­ften zusammenbe­kommen, um als EU-Bürgerinit­iative von der EU-Kommission anerkannt zu werden. Sie fordern ein Verbot sowie eine Reform der Pestizid-Zulassung in der EU. Die Kommission will in den nächsten Wochen in den Dialog mit der Bürgerinit­iative treten.

Die Gegner versuchen zu mobilisier­en. Immer wieder lassen sie etwa Tests durchführe­n und weisen auf Rückstände des umstritten­en Wirkstoffe­s hin. Mal findet er sich im Urin, mal im Speiseeis. Im Eis fanden sich Konzentrat­ionen, die unterhalb der Grenzwerte liegen. Zuletzt warfen die Gegner dem Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR), das federführe­nd an der Risikoprüf­ung beteiligt war, unseriöse Arbeitsmet­hoden vor.

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