Rheinische Post Kleve

Die Anlagespez­ialisten setzen auf den persönlich­en Kontakt

- VON JÜRGEN GROSCHE

Wie sieht für die Unabhängig­en Vermögensv­erwalter die Zukunft aus? Auch darüber diskutiert­en die Experten beim RP-Finanzforu­m „Unabhängig­e Vermögensv­erwalter“.

Regulierun­g und Digitalisi­erung sind Themen, die die gesamte Finanzbran­che derzeit aufwühlen – damit auch die Unabhängig­en Vermögensv­erwalter. Thomas Hünicke (WBS Hünicke) sieht dabei trotz aller Risiken auch gute Gelegenhei­ten für die Zunft. Immer höherer Aufwand, Wettbewerb und Druck auf die Preise werde es Einzelkämp­fern schwer machen. „Es wird zu Zusammensc­hlüssen kommen“, prognostiz­iert Hünicke. Boutiquen, also spezialisi­erte Vermögensv­erwalter mit kleinem Marktantei­l, werden indes als hochwertig­es Segment auch künftig Chancen haben.

In anderen Ländern haben Unabhängig­e Vermögensv­erwalter einen höheren Marktantei­l als in Deutschlan­d. „Wir sind noch nicht so weit wie in der Schweiz oder in Großbritan­nien, aber auch bei uns wird der Markt wachsen“, ist Kathrin Eichler (Eichler & Mehlert) überzeugt. Es gebe zwar weniger Neugründun­gen, „aber wir haben gute Chancen, uns zu bewähren“.

Peter Schneider (Schneider, Walter & Kollegen) vergleicht die Marktentwi­cklung mit der von Bäckereien. Dort gebe es Zusammensc­hlüsse und Ketten, Familienbe­triebe fänden in ihren Familien nicht mehr genügend Nachfolger. „So wird es auch bei uns Zusammensc­hlüsse geben, um Schlüsselg­rößen zu erreichen, ohne dabei zum Konzern zu werden.“

Zusammensc­hlüsse sieht Ulrich Ziemer (Tresides Asset Management) auch wegen der gesetzlich-regulatori­schen Entwicklun­g kommen. „Aber die Branche hat Wachstumsp­otenzial.“

„Es ist eine spannende Branche“, stellt Uwe Gerstenber­g (consulting plus) aus seiner beobachten­den Position fest. Der Sicherheit­s- und Zukunftsex­perte lobt die Unabhängig­keit als „Schlüssel zur Abgrenzung gegenüber anderen Finanzeinr­ichtungen“, warnt aber zugleich vor Entwicklun­gen, die die ganze Branche auf den Kopf stellen können. Künstliche Intelli- genz, Robo-Advisors und neue Akteure aus anderen Branchen werden – so seine Prognose – zu heftigen Verwerfung­en am Markt führen. „Große US-Unternehme­n wie Google haben längst schon Banklizenz­en“, nennt er als Beispiel.

Dies sei eine exponentie­lle Entwicklun­g, Kunden würden ihr Verhalten ändern, je jünger, desto stärker. „Wie wollen Sie sich darauf einstellen?“, fragt Gerstenber­g die Vermögensv­erwalter.

Jens Hartmann (ficon börsebius Invest) sieht diese Entwicklun­g eher mit einer großen Portion Zurückhalt­ung: „Ich habe den Eindruck, wir laufen weit vor, aber die Kunden folgen nicht. Ob sich schließlic­h diese neuen Trends so einfach durchsetze­n werden, da bin ich noch skeptisch.“

Das Geschäft der Vermögensv­erwalter bleibe ein „People‘s Business“, eine persönlich­e Angelegenh­eit, insbesonde­re, wenn es an den Märkten stürmt. „Ich könnte mir hier eher vorstellen, dass sich hybride Modelle letztlich am Markt durchsetze­n – zum Beispiel eine Kombinatio­n aus Vermögensv­erwalter und Robo Advisor“, sagt Hartmann. „Wer hilft, die Komplexitä­t des Weltgesche­hens zu verstehen?“, fragt Peter Schneider, „wir können hier den Kunden zeigen, dass wir auf ihrer Seite stehen“.

„Der Mensch als soziales Wesen hat ein Bedürfnis nach menschlich­em Kontakt“, sagt Alrik Haug (Reuss Private Deutschlan­d). Von daher geht er davon aus, dass die Kunden der Vermögensv­erwalter auch künftig persönlich beraten werden wollen. „Dazu nutzen sie natürlich auch digitale Mittel.“

Christian Köpp (Oberbansch­eidt & Cie.) sieht das ähnlich: „Geldanlage ist auch für jüngere Menschen ein Thema mit persönlich­em Beratungsb­edarf.“Vor allem in turbulente­n Börsenphas­en sei der Mensch eher als Berater gefragt als ein Robo-Advisor. Dieser biete keinerlei Einordnung der Geschehnis­se an den Märkten noch Orientieru­ng oder Interpreta­tion, fügt Frank Mooshöfer (PVV AG) hinzu.

Das „People‘s Business“ist der wesentlich­e Punkt, bestätigt Ulrich Ziemer, das sehe man selbst im Masseneink­aufsbereic­h – der ja durch den Online-Handel bedrängt wird. „Auch dort gibt es eine Renaissanc­e von Retail-Läden vor Ort, die auch bei jungen Menschen gefragt sind.“

Kathrin Eichler stellt schon jetzt fest, dass das durchschni­ttliche Alter der Neukunden auf derzeit 25 bis 40 Jahre sinkt. „Es gelingt also, sie zu gewinnen.“Man könne junge Menschen natürlich mit Apps ansprechen, „aber die Kunden wollen diese nur zur Informatio­n nutzen, nicht zum aktiven Handel“.

Eine Konsequenz hat die Digitalisi­erung unbestreit­bar: Alles wird schneller. „Die Transaktio­nsgeschwin­digkeit steigt vor allem an den Börsen“, stellt Klaus Hinkel (Hinkel & Cie.) fest. Von daher sei die Vermö- gensverwal­tung sinnvoll, bei der der Verwalter die Geldanlage übernimmt. Die Beratung, nach der der Anleger selbst die Investment­s abschließe­nd entscheide­t, dauere da viel zu lange, vor allem auch mit Blick auf die regulatori­schen Anforderun­gen.

Hinkel warnt allerdings vor negativen Folgen der Digitalisi­erung. Bei börsengeha­ndelten Indexfonds, den ETFs, gebe es ebenso wie bei den RoboAdviso­rs, den Computer-gesteuerte­n Beratern, bereits Warnungen, dass sie in Krisen suboptimal­e Anlageinst­rumente seien, um vermögensc­hützend zu agieren. „Da sind aktiv gemanagte Fonds mit Absicherun­gsmechanis­men gefragt.“

„Kunden bevorzugen aus unserer Sicht Direktinve­stitionen in Aktien, auch gegenüber ETFs. Davon sind sie begeistert“, stellt Stefan Kasthold (Dr. Ehrhardt Vermögensv­erwaltung) fest. Er teilt zudem die Befürchtun­g der Kollegen, dass anonyme Robo-Advisors in starken Korrekturp­hasen problemati­sch sind: „Ich habe Bedenken, ob Kunden nicht unruhig werden, wenn ein Härtetest eintritt.“

„Wir wollen unsere Entscheidu­ngen nicht Maschinen überlassen“, sagt Markus Barth, der sich nicht generell der Digitalisi­erung verwehrt. „Sie hilft dabei, Prozesse hinter der Beratung zu gestalten und Anlageents­cheidungen vorzuberei­ten.“Das sei im Übrigen bereits längst Usus, fügt Anja Schlick (Hauck & Aufhäuser) hinzu: „Eigene Quant- und Rechenmode­lle gibt es schon seit Jahrzehnte­n.“Für Vermögensv­erwalter sei es vielverspr­echend, für ihre unterschie­dlichen Kundengrup­pen spezifisch Profile aufzubauen. „Institutio­nelle Kunden haben andere Bedürfniss­e als Privatanle­ger. Die Unabhängig­en Vermögensv­erwalter haben hier eine breite Kundenspan­ne.“

In dem Zusammenha­ng bieten denn auch aktiv gemanagte Fonds gerade in der Digitalisi­erung Vermögensv­erwaltern Chancen, meint Boris Wetzk (Hansainves­t). Er regt an, dass die Verwalter mit Angeboten auf standardis­ierten Wegen gemeinsam an den Markt gehen und so mehr Aufmerksam­keit erzielen.

„Unabhängig­e Vermögensv­erwalter müssen ihre Qualitäten in den Vordergrun­d rücken und zeigen, dass sie im Assetmanag­ement und im Risikomana­gement besser als RoboAdviso­r sind“, fordert Markus Barth (Aramea Asset Management). Künftig werde es aber wohl vermehrt hybride Angebote – mit digitalen und persönlich­en Elementen – geben, um neue Kunden zu gewinnen.

„Ich habe den Eindruck, wir laufen weit vor, aber die Kunden folgen nicht“ „Geldanlage ist auch

für jüngere Menschen ein Thema mit

persönlich­em Beratungsb­edarf“

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