Rheinische Post Kleve

Umgang im Bundestag wird härter

- VON EVA QUADBECK VON THOMAS REISENER VON PHILIPP JACOBS TÜRKEI: HOFFNUNG FÜR INHAFTIERT­EN..., SEITE A 5

Die konstituie­rende Sitzung des Bundestags hat einen Vorgeschma­ck darauf gegeben, was uns in den kommenden Jahren an politische­r Kultur erwartet: Provokatio­nen und das Ausreizen demokratis­cher Spielregel­n. Es wird nicht immer fair ablaufen.

Ein Grund zur Sorge ist das dennoch nicht. Die AfD unternahm mit dem Göring-Vergleich eine gezielte Provokatio­n, die die meisten Parlamenta­rier abtropfen ließen. Der gute Vorsatz, nicht über jedes Stöckchen der Rechtspopu­listen zu springen, hält. Gut so.

Sollte das Jamaika-Bündnis zustande kommen, wird es sich einer starken, einer anstrengen­den und im Fall der AfD einer Opposition stellen müssen, deren Demokratie­festigkeit in Frage steht. Wo die AfD Grenzen überschrei­tet, müssen die anderen Parlamenta­rier Stopp-Schilder aufstellen.

Wie das funktionie­rt, hat gestern die Wahl des Bundestags­präsidiums gezeigt. Der AfD-Kandidat, dessen Haltung zur Religionsf­reiheit zweifelhaf­t ist, fiel bei der Wahl zu Recht durch. Mit einem neuen Kandidaten hat die AfD weiterhin die Chance, den Platz im Bundestags­präsidium zu bekommen. So funktionie­rt Demokratie. BERICHT ERSTE NIEDERLAGE FÜR DIE AFD, TITELSEITE

Wichtige Sozialarbe­it

Der Bedarf an Schulsozia­larbeit steigt. Denn die Lebensverh­ältnisse der Schüler driften immer weiter auseinande­r. Die Schere zwischen armen und reichen Familien wächst. Ebenso die zwischen überbehüte­ten Kindern und solchen, deren Eltern die Erziehung dem Fernseher überlassen. Hinzu kommen die unterschie­dlichen Kulturen und Religionen, die auch in den Schulen zunehmend aufeinande­rprallen. Der Klassenver­bund von einst ist heute ein Zufalls-Mix aus jungen Persönlich­keiten, die kaum mehr als ihr Alter verbindet.

Diese Vielfalt ist eine große Chance. Sie bereitet die Schüler auf einen berufliche­n und privaten Alltag vor, der in Zukunft viel bunter und internatio­naler als die Gegenwart sein wird. Aber es wäre naiv, nicht auch die Verwerfung­en zu erkennen, die diese neue Komplexitä­t produziert. Um sie in den Griff zu bekommen, braucht man besondere Expertise. Die können Eltern und Lehrer nicht mal eben erlernen. Die ausgebilde­ten Profis für so was heißen Schulsozia­larbeiter. Sie sind kein Schnicksch­nack, sondern wissenscha­ftlich belegte Sozialpräv­ention. BERICHT SCHULSOZIA­LARBEIT BIS 2021 GESICHERT, TITELSEITE

Chance für die Türkei

Dass der gescheiter­te Militärput­sch in der Türkei im vergangene­n Jahr das Verhältnis zwischen Ankara und Berlin so sehr beeinfluss­en würde, hatte sich wohl damals niemand ausgemalt. 27 deutsche Staatsbürg­er haben türkische Behörden seit dem Putschvers­uch festgenomm­en. Elf von ihnen sitzen noch immer in Untersuchu­ngshaft, darunter der deutsch-türkische „Welt“-Korrespond­ent Deniz Yücel und der Menschenre­chtler Peter Steudtner. Die Strafvorwü­rfe sind teilweise so grotesk, dass man von einem schlechten Witz ausgehen könnte. Leider sind sie kein Witz.

Die Festnahme Yücels war ein herber Schlag für die bilaterale­n Beziehunge­n. Doch die Inhaftieru­ng Steudtners, eines Deutschen ohne türkischen Pass, brachte das Fass aus Sicht der Bundesregi­erung zum Überlaufen. Heute beginnt der Prozess gegen Steudtner. Die türkische Regierung steht am Scheideweg. Sie hat nun die Gelegenhei­t, Steudtner zügig freizulass­en und damit die Chance, die zerrüttete Beziehung zu Deutschlan­d zumindest ein wenig zu normalisie­ren. BERICHT

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