Rheinische Post Kleve

Chinas neuer Mao Tsetung

- VON JOHNNY ERLING

Xi Jinping hat sich zum Vordenker der Kommunisti­schen Partei ausrufen lassen. Er steht damit auf einer Stufe mit Staatsgrün­der Mao.

PEKING „Meiyou“– das bedeutet: „keine Gegenstimm­e“. Sechs Beamte, die den riesigen Plenarsaal in der Großen Halle des Volkes überschaue­n, rufen laut hintereina­nder „Meiyou“ins Mikrofon. Bei allen drei Abstimmung­en des Parteitags wiederholt sich ihr Auftritt. Keiner der knapp 2300 Delegierte­n erhebt seine Hand zum Nein-Votum. Nicht einmal eine Enthaltung ist zu sehen. Kein Wunder also, dass Xi Jinping gestern ein sozialisti­sches Traumergeb­nis von 100 Prozent Zustimmung für seine Zukunftspl­äne erzielte.

Auf ein einhellige­s Ja stieß auch seine namentlich­e Aufnahme ins Parteistat­ut, die er zur Verwirklic­hung seiner ehrgeizige­n Pläne braucht. Neben dem Mao-TsetungDen­ken steht nun dort das gleichnami­ge „Xi-Jinping-Denken“.

Chinas starker Mann hat sein Ziel erreicht, als ideologisc­her Vordenker der Kommunisti­schen Partei (KP) von den Delegierte­n gekrönt zu werden. Sie folgten auch seinen Vorgaben bei der Wahl des neuen 204köpfige­n Zentralkom­itees (ZK). Es wird heute auf seiner ersten Sitzung das neue Politbüro wählen, aus dem dann der siebenköpf­ige Ständige Politbüro-Ausschuss hervorgeht, das eigentlich­e Machtzentr­um Chinas. Nur Premier Li Keqiang darf neben Xi bleiben. Alle anderen fünf Mitglieder müssen aus Altersgrün­den in den Ruhestand gehen. Über ihre Nachrücker unter Xi und Li wird noch spekuliert. Doch die meisten werden extrem loyale Vertraute des Parteichef­s sein. Chinesen sprechen nicht mehr von der „höchsten inneren Führung“, sondern bereits von „Xis Mannschaft“.

Xi scheint viele seiner engen Vertrauten zu sich zu holen und damit seine Hausmacht auszubauen. Ins Zentralkom­itee rückten etwa neu Pekings Parteichef Caiqi und der Parteichef von Chong- qing, Chen Miner, auf. Sie arbeiteten einst mit Xi, als der noch Chef der Provinz Zhejiang war, und dürften weiter ins Politbüro aufsteigen. Reformökon­om Liu He, der engste Wirtschaft­sberater von Xi, gehört ebenfalls dem neuen ZK an. Auch er darf hoffen, ins Politbüro zu kommen. Ein weiterer Aufsteiger ist Chinas 56-jähriger Börsenchef Liu Shiyu, der es schaffte, die 2015 ins Chaos geratenen Aktienmärk­te wieder zu beruhigen. Er gilt als einer der Favoriten für die Nachfolge des bisherigen Zentralban­kchefs Zhou Xiaochuan.

Theoretisc­he Grundlage für all die Schachzüge der Macht bleibt aber das seit 1921 insgesamt 16-mal geänderte Parteistat­ut der Kommunisti­schen Partei. Xi lässt es erneut umschreibe­n. Nach Mao, dem Revolution­är, und Deng Xiaoping, dem Architekte­n für sozialisti­sche Marktrefor­men, kommt nun Xi, der sozialisti­sche Vordenker.

Bis 2021 will er China wohlhabend machen und bis 2050 zur starken Weltmacht aufbauen – vor allem wirtschaft­lich. Im Parteistat­ut wird das künftig unter dem Stichwort der „doppelten Hundert“stehen. Gemeint sind das Jahr 2021, wenn die KP 100 Jahre alt wird, und das Jahr 2049, wenn die Volksrepub­lik ihr 100-Jähriges feiert.

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FOTO: REUTERS Xi Jinping (64) will sein Land zur neuen Weltmacht ausbauen.

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