Rheinische Post Kleve

Extremismu­s-Prävention erreicht Muslime nicht

- VON LISA KREUZMANN

BERLIN Der Bund gibt immer mehr Geld für Extremismu­spräventio­n aus. Analysen von Sicherheit­sexperten zeigen jedoch, dass Fachkräfte kaum an radikale Muslime rankommen. Bislang sei „nur eher punktuell mit islamismus­affinen beziehungs­weise bereits ideologisi­erten Jugendlich­en“gearbeitet worden, heißt es in einem Bericht der Bundesregi­erung von Dezember 2016.

Besonders Rückkehrer aus Terrorismu­sgebieten bereiten Probleme, wie aus einem Bericht des Bundeskrim­inalamts von April 2017 hervorgeht. Viele von ihnen bräuchten psychologi­sche Betreuung. Doch Ärzten, Therapeute­n und Lehrern fehle die Erfahrung. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der staatliche­n Programme bislang überwiegen­d auf Aufklärung­s- und Umfeldbera­tung ausgelegt ist, heißt es im Bericht. Es werden Flyer verteilt, Plakate geklebt und Vorträge vor Schulklass­en gehalten – in direktem Kontakt mit radikalen oder islamismus­affinen Jugendlich­en stehen wenige.

Eine Abfrage unserer Redaktion bei den Bundesländ­ern hat erge- ben, dass es bisher nur in acht Ländern öffentlich­e Programme gibt, in denen bereits radikale oder von Radikalisi­erung bedrohte Muslime betreut wurden: In NRW gab es bislang 650 Fälle, in Hamburg 285, in Niedersach­sen 220, in Hessen 141, in Bayern 130, in Berlin eine „mittlere zweistelli­ge“Zahl, in SchleswigH­olstein eine niedrige zweistelli­ge Zahl, in Baden-Württember­g sei die Zahl nicht bekannt.

Der Verfassung­sschutz geht derzeit von mehr als 20.000 potenziell­en Islamisten in Deutschlan­d aus. „Deutschlan­d ist bei der Prävention islamistis­cher Radikalisi­erung gut aufgestell­t“, betont die geschäftsf­ührende Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD). Lücken gebe es aber etwa im Strafvollz­ug. Zukünftig müssten auch die „Graubereic­he“erreicht werden, sagt Barley. Der Bund möchte deshalb im nächsten Jahr zusätzlich­e 100 Millionen Euro für ein nationales Prävention­sprogramm ausgeben. Schon in der vergangene­n Legislatur­periode war der Gesamtetat für die Extremismu­sbekämpfun­g von rund 35 Millionen Euro auf 115 Millionen Euro verdreifac­ht worden.

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