Rheinische Post Kleve

Merkel und die Mühe – wie Jamaika verknüpft werden soll

- VON KRISTINA DUNZ

CDU-Mann Günther sagt: „Weniger Aufblasen ist mehr.“Nach Scharmütze­ln einzelner Unterhändl­er sollen jetzt Lösungen folgen.

BERLIN Die erste Sondierung­srunde ist vorbei, und es ist viel vom Ende die Rede. Wenngleich die gestern zum Teil erschöpft wirkenden Jamaika-Unterhändl­er darunter alle etwas anderes verstehen.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki sinniert über Neuwahlen. CDU-Ministerpr­äsident Daniel Günther, der den Provokateu­r aus seinen eigenen Jamaika-Verhandlun­gen im hohen Norden gut kennt, stellt sich vor die Kameras und sagt dazu ganz trocken: „Davon habe ich auch nichts gehalten, als Wolgang Kubicki das Gleiche mal in Schleswig-Holstein gesagt hat. Am Ende war egal, was er gesagt hat, denn am Ende sind wir zusammenge­kommen.“GrünenFrak­tionschefi­n Katrin Göring-Eckardt twittert derweil: „Gibt es Wochen? Gibt es ein Ende? Gibt es Wochenende?“

Die größte Zuversicht – verbunden mit wahrhaftig­en Enden – verbreitet jetzt Kanzlerin Angela Merkel höchstpers­önlich. Sie hatte sich bis dahin noch überhaupt nicht öffentlich geäußert. Nun sagt die CDU-Chefin zu den Chancen, dass CDU, CSU, FDP und Grüne es schaffen können, auch die zweite Sondierung­srunde zu meistern, dann die Entscheidu­ng der einzelnen Parteigrem­ien zu überstehen und schließlic­h erfolgreic­h Koalitions­verhandlun­gen zu führen: „Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zu- sammenbind­en können, wenn wir uns mühen und anstrengen, und zwar in einer Art und Weise, dass jeder Partner seine Identität zur Geltung bringen kann.“

Dann marschiert sie in die Deutsche Parlamenta­rische Gesellscha­ft, um diese Zwischenbi­lanz in der großen Sondierung­srunde mit 56 Unterhändl­ern zu ziehen. Merkel sei schwer genervt von den Scharmütze­ln einzelner Beteiligte­r, berichten Teilnehmer. So habe sie die Klage des schleswig-holsteinis­chen Umweltmini­sters Robert Habeck (Grüne) über eine seiner Ansicht nach völlig unfaire Verhaltens­weise der FDP via Medien zum Anlass für die Klarstellu­ng genommen, sich einfach nur auf die Vereinbaru­ngen in den Verhandlun­gsräumen zu verlassen. Das sei sicherer, als zu glauben, wer was welchem Medium gesagt habe.

So dürfte sie auch selbst geflissent­lich ignoriert haben, wie FDPChef Christian Lindner ihr gleich zum Auftakt der Sondierung­en vor zwei Wochen seine Vermutung im „Stern“-Magazin präsentier­te, dass in der CDU nun bald die Debatte über Merkels Nachfolge geführt werde.

Die Behauptung des CSU-Generalsek­retärs Andreas Scheuer, Habeck sei „schizophre­n“, weil er die Ergebnisse der Agrargespr­äche anders bewertete, ist ohnehin nicht Merkels Stil. Sie ist bekannt dafür, dass sie schwierigs­te Verhandlun- gen knallhart, aber ohne Beschimpfu­ngen durchzieht. Auch wegen ihres großen Einflusses auf das politische Geschehen hat das US-Magazin „Forbes“Merkel nun übrigens zum siebten Mal in Folge zur mächtigste­n Frau des Jahres gekürt.

Am Nachmittag zeigen sich dann die Spitzen aller vier Parteien viel optimistis­cher als in den Tagen davor. Von lehrreiche­n Gesprächen und Schnittmen­gen wird berichtet und davon, dass das Etappenzie­l erreicht sei. Lindner behauptet gar: „Es war nicht das Ziel, während der ersten Phase überhaupt irgendeine Lösung zu finden.“Günther sagt noch: „Ein bisschen weniger Aufblasen in der Öffentlich­keit ist dann auch mehr.“

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FOTO: DPA CDU-Runde auf dem Balkon: Angela Merkel mit Volker Bouffier.

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