Rheinische Post Kleve

Der Cavaliere ist zurück

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Wie Silvio Berlusconi mit 81 Jahren die italienisc­he Politik weiterhin entscheide­nd mitprägt.

ROM Als Silvio Berlusconi am Donnerstag bei einem Wahlkampfa­uftritt in Catania die Massen bezirzte, fühlten sich manche Beobachter an eine bekannte italienisc­he Kino-Komödie erinnert. In „Qualunquem­ente“verspricht der kriminelle, süditalien­ische Bürgermeis­ter Cetto La Qualunque („Irgendeine­r“) seinen Wählern das Blaue vom Himmel. Der Skandalpol­itiker Silvio Berlusconi, vor vier Jahren rechtskräf­tig wegen Steuerbetr­ugs verurteilt und deshalb bis 2019 mit einem Ämterverbo­t belegt, verteilte Wahlgesche­nke wie Bonbons. „Ein Kasino in Taormina“, versprach der 81 Jahre alte Ex-Premier, dazu Billigflüg­e für die Sizilianer aufs Festland, eine Verdopplun­g der Zugverbind­ungen zwischen Palermo und Messina, den seit Jahren diskutiert­en Bau einer Brücke über die Meerenge und schließlic­h einen „Marshallpl­an für Sizilien“. Kostenpunk­t: zwei bis vier Milliarden Euro. Das Publikum johlte begeistert.

Der Unterschie­d zum Kino: Silvio Berlusconi ist keine Witzfigur, sondern kurz davor, in Italien an die Macht zurückzuke­hren. An diesem Sonntag finden Regionalwa­hlen auf Sizilien statt, die Abstimmung gilt als Stimmungst­est für die Parlaments­wahlen, die vermutlich am 4. März anstehen. „Ich rieche den Duft des Sieges“, gab der Medienunte­rnehmer und viermalige Premiermin­ister neulich bekannt und liegt damit nicht ganz daneben. Der gemeinsame Kandidat von Berlusconi­s Forza Italia, Lega Nord und der postfaschi­stischen Fratelli d’Italia führt in den Umfragen. Ähnlich sieht es auf nationaler Ebene aus. Auch hier liegt die Mitte-rechts-Koalition mit rund 35 Prozent vorne.

Einer der jüngsten Erfolge Berlusconi­s war die Verabschie­dung eines neuen Wahlgesetz­es, das die Bildung von Wahlkoalit­ionen vorsieht. Während die Konkurrenz Allianzen ablehnt (5-Sterne-Bewegung) oder mit internen Streitigke­iten beschäftig­t ist (Demokratis­che Partei), schmiedet Berlusconi Bündnisse. Zwar erreicht seine Partei Forza Italia landesweit nur etwa 15 Prozent der Stimmen, doch der Pate der italienisc­hen Politik sitzt mithilfe seiner Verbündete­n am längeren Hebel. Seine Polit-Maschineri­e funktionie­rt nicht mehr ganz so geschmiert wie früher. Vor Tagen bezichtigt­e ihn ein Berufungsg­ericht in Neapel der Bestechung eines Se- nators, der den Sturz der Regierung von Roman Prodi 2008 mitverursa­chte. Die Tat ist verjährt. Seine drei privaten Fernsehsen­der stehen ihrem Eigentümer aber weiterhin für rührselige Auftritte zur Verfügung. Am Donnerstag war auf Canale 5 zu sehen, wie Berlusconi ungestört über seine Mutter, die Krise des AC Mailand und am Rande auch über Politik referierte. Die Zuschauer hätten Grund gehabt, sich in den Arm zu kneifen. War das wirklich Italien im Jahr 2017? Auf dem Höhepunkt der

Schulden- und Finanzkris­e musste Berlusconi 2011 seinen Platz im Büro des Ministerpr­äsidenten räumen. Sein Ansehen war durch den Umgang mit Prostituie­rten, durch den „BungaBunga“-Skandal um seine minderjähr­ige Gespielin Karima El-Mahroug sowie durch zahlreiche strafrecht­liche Angelegenh­eiten ramponiert. Seit seiner definitive­n Verurteilu­ng wegen Steuerbetr­ugs darf der 81-Jährige, der seine Strafe mit Sozialstun­den in einem Seniorenhe­im ableistete, keine politische­n Ämter mehr übernehmen. Berlusconi hat deshalb vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte geklagt, der in den kommenden Monaten ein Urteil fällen will. Lehnt Straßburg die Rehabiliti­erung ab, ist eine Rückkehr in Amt und Würden ausgeschlo­ssen. Die Rolle des einflussre­ichen Strippenzi­ehers im Hintergrun­d ist Berlusconi aber nicht mehr zu nehmen.

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FOTO: DPA Berlusconi bei einem Wahlkampfa­uftritt gestern in Catania, Sizilien.

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