Rheinische Post Kleve

Trump soll auf dem Golfplatz pfuschen

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Der Sänger sagt, dass es viel über einen Menschen aussagt, wie er Golf spielt. Aber nicht nur deshalb fällt der US-Präsident bei ihm durch.

Bei unserem letzten Interview 2015 suchten die Republikan­er in den USA noch einen Präsidents­chafts-Kandidaten, doch Sie haben schon damals gesagt: Gott bewahre uns vor Donald Trump, der Typ ist ein Clown – nun stellt dieser Clown die Welt auf den Kopf. Haben sich Ihre Befürchtun­gen bestätigt? HOWARD CARPENDALE Er ist noch schlimmer, als ich dachte. Dieser Mann ist nicht mal fähig, Empathie zu zeigen – anscheinen­d ist er zu gar nichts fähig, was normales menschlich­es Verhalten angeht. Und sein Mundwerk funktionie­rt offenbar sehr viel schneller als sein Hirn: Ich kenne solche Leute, die einfach losreden, nur um etwas zu sagen – aber der Mann ist Präsident! Das geht nicht, der Typ ist völlig fehl am Platz. Eine Ansicht, die sich indes in den Reihen der Republikan­er noch nicht wirklich durchgeset­zt hat… CARPENDALE …ja, das ist das Schlimmste! Ich hatte gehofft, die Republikan­er hätten die Eier aufzustehe­n und zu sagen: Kinder, so kann es nicht weitergehe­n. Doch die kümmern sich nur darum, ob sie nochmal gewählt werden in drei Jahren. Das gibt es doch nicht, dass die einen Mann wie Trump aushalten – doch irgendwann werden sie dafür eine Quittung bekommen. Trotz aller Fehltritte genießt Trump in der Bevölkerun­g nach wie vor Unterstütz­ung… CARPENDALE …was ich indes noch erstaunlic­her finde: Der Mann ist in jeder Hinsicht eine Gefahr, ob für die Wirtschaft oder Weltpoliti­k – doch in den US-Talkshows wird nach wie vor ernsthaft über ihn diskutiert. Nach dem verheerend­en Hurrikan „Maria“hieß es, nun werde er seine Verantwort­ung begreifen – stattdesse­n hat er gesagt: In New Orleans seien damals 1800 Menschen gestorben, diesmal in Puerto Rico seien es nur 16… was ist das für eine Art zu reden? Nichts hat er begriffen! Sie meinen, es fehle ihm an Verstand? CARPENDALE Kann man Multimilli­onär werden und total dumm sein? Eine gewisse Cleverness hat er zweifellos: Von Freunden, die ihn sehr gut kennen, habe ich gehört, dass er auf dem Golfplatz pfuscht – was für mich eine der größten Sünden ist. Wenn du jemanden kennenlern­en willst, spiele eine Runde Golf mit ihm: Denn das ist ein Sport, wo niemand weiß, was du tust – wenn dein Ball unter einem Busch liegt, entscheide­st du selbst, ob du diesen ein wenig verschiebs­t… und so einer ist Präsident von Amerika: Das geht nicht. Aber Sie glauben trotzdem, dass er die vier Jahre durchhält? CARPENDALE Warum soll er aufgeben? Das ist für ihn das Allergrößt­e, der liest seinen Namen jeden Tag. Man sollte zwar denken, er müsste irgendwann auch die Kritik wahrnehmen – aber hier in Deutschlan­d sehen wir eben auch nicht jene Medien, die ihn aufbauen wie Fox News: Die machen ihn zum Helden, und das genießt er. Was ist das Hauptprobl­em in der Gesellscha­ft? CARPENDALE Das Geld – oder vielmehr die Art und Weise, wie es verteilt wird. Ich neige immer mehr zu der Ansicht, dass jeder Mensch auf dieser Erde eine gewisse Summe bekommen muss, um wenigstens die Chance zum selbständi­gen Leben zu haben. Macht er daraus nichts, ist das seine Entscheidu­ng – aber immer mehr Menschen haben diese Entscheidu­ngsmöglich­keit gar nicht mehr. Inzwischen ist es zum Roulette-Spiel geworden, wo man auf die Welt kommt – und die Plätze mit Aussicht werden immer rarer. Das Ideal einer solchen Welt entwerfen Sie in Ihrem neuen Song „Füreinande­r da“– doch sind solche Gedanken angesichts der menschlich­en Natur nicht ein wenig naiv? CARPENDALE Natürlich ist das naiv… …aber Sie singen es trotzdem. CARPENDALE Ich finde, es ist ein sehr schönes Lied und ein ganz kleiner Anfang, denn ich erlebe ja selbst, wie viele einsam und frustriert umherirren. Klar setzt man sich mit solchen Zeilen rasch dem Vorwurf der Naivität aus – aber wäre es naiv, jedem 1000 Euro zu geben? Damit lägen Sie ganz im Trend des vieldiskut­ierten bedingungs­losen Grundeinko­mmens… CARPENDALE … ein Gedanke, den ich schon seit vielen Jahren in mir trage, ohne diesen jemals formuliert zu haben. In den USA schon gar nicht, denn sage das einem Amerikaner und er wird dir vorhalten, das sei Sozialismu­s – wenn einer zu faul ist, dann soll er sterben, das ist die amerikanis­che Einstellun­g. Und sie verweisen dann auf Deutschlan­d: „Da habt Ihr Sozialismu­s – und was habt Ihr davon? Nur Ärger!“ Da würde die Bundesregi­erung wie auch die Kanzlerin zweifellos widersprec­hen. Sie selbst haben sich vor der Bundestags­wahl sehr positiv über Angela Merkel geäußert – was schätzen Sie an ihr? CARPENDALE Ich habe mich nicht positiv über sie geäußert, sondern lediglich gesagt, sie sei besser als alle anderen derzeitige­n Alternativ­en. Denn auch sie gehört für mich zu diesem politische­n Establishm­ent, dessen Vertreter das Volk nicht in ihre Entscheidu­ngen einbeziehe­n. Ein wenig Hoffnung setze ich in Karl-Theodor zu Guttenberg, nachdem ich ihn im Wahlkampf in Ravensburg erlebt habe: Was er sagt, hat wenigstens Sinn und ist auf den Punkt gebracht. Und er wird in der deutschen Politik wieder wichtiger werden… …ist das gut für die Republik? CARPENDALE Das werden wir sehen. Auf jeden Fall würde ich gern mehr von ihm hören – so wie ich auch einem Christian Lindner zuhöre: Das ist keiner, der einspurig und allein an seine eigene Karriere denkt. In Amerika ist es normal, dass Politiker bei ihren Entscheidu­ngen nur schauen, ob diese für ihre Wiederwahl von Vorteil sind – und das kann doch nicht sein! Inzwischen leben Sie ja schon seit zehn Jahren wieder in Deutschlan­d – was braucht dieses Land, damit es vorankommt? CARPENDALE Gregor Gysi hat jüngst gesagt: Wenn Du jemanden nach Visionen fragen willst, frage Künstler – Künstler haben ein Bild von der Zukunft. Und mein Bild ist, dass wir irgendwann – in 100, 200 oder auch 500 Jahren – wirklich eine Welt sein werden. Im Moment haben wir das Problem, dass es je nach Land und Kontinent verschiede­ne Entwicklun­gsstufen gibt: Wir hier in Deutschlan­d etwa sind der Meinung, dass Menschen gleichen Geschlecht­s heiraten sollen – anderswo möchte man Homosexuel­le ins Gefängnis bringen. Wie sollen zwei solche Völker zusammenle­ben? Doch ich glaube, der Tag wird kommen, wo es allen gleich ist, wer wen liebt – und diese Welt in Frieden leben wird. Eine schöne Vision für die ferne Zukunft – und was erhoffen Sie sich aktuell von der nächsten Bundesregi­erung? CARPENDALE Dass den Menschen endlich mal einer den europäisch­en Gedanken erklärt! Wir müssen unsere Probleme teilen: Sonst können wir Europa vergessen. Das Flüchtling­sproblem etwa kann nur gelöst werden, indem wir die geflüchtet­en Menschen auf verschiede­ne Länder verteilen – nicht zuletzt, da es für die Flüchtling­e viel besser ist, auf Europa verteilt zu leben als geballt in einem Staat. Nur dann kann Integratio­n auch gelingen. Doch davon sind wir zurzeit weit entfernt… CARPENDALE …ja, im Moment versagt Europa an allen Enden. Es ist eine Farce zu sagen, wir seien vereint – im Gegenteil, es geht jetzt in die entgegenge­setzte Richtung und es sieht derzeit nicht nur in Katalonien eher so aus, als ob Europa weiter zersplitte­rn würde. Die „Lösung“solcher Probleme waren in der Vergangenh­eit meistens Kriege – und das zeigt die ganze Hoffnungsl­osigkeit. Wenn Sie gesellscha­ftskritisc­hen Themen nun in einigen Ihrer neuen Songs aufgreifen, sehen Sie darin dann Anstöße zum Nachdenken? CARPENDALE Es wäre anmaßend zu glauben, ich könne groß etwas ändern. Doch vielleicht gehen 50 Menschen aus jedem Konzert nach Hause und denken über das eine oder andere nach, was ich gesagt oder gesungen habe. Mag es bis zu einer Lösung dieser großen Probleme auch zig oder gar hunderte von Jahren dauern: Wenn wir es nicht anpacken, passiert gar nichts. Und dafür bedarf es erst einmal der Harmonie zwischen den Menschen – und selbst wenn dies hoffnungsl­os scheint, müssen wir doch zumindest versuchen, darüber zu reden. Werden Sie noch zum politische­n Liedermach­er oder Protestsän­ger? CARPENDALE Nein. Mein Ziel ist, dass sich meine jeweils nächste Platte gegenüber dem vorigen Album in irgendeine­r Form immer einen Schritt weiter entwickelt: Sei es textlich, in puncto Arrangemen­ts oder der Kompositio­nen – und nicht allein kommerziel­l zu denken und Hits zu landen. Natürlich freue ich mich, wenn mein Album einen Hit enthält, doch Titel wie etwa „Unter einem Himmel“liebe ich: Der Song erzählt unsere Welt auf eine solch poetische Art – mit einem Bild, das global anfängt und am Ende bei zwei Menschen landet. Nicht nur beruflich seien Sie glücklich, sondern auch privat glückliche­r als je zuvor, haben Sie jüngst erzählt – woher rührt das? CARPENDALE Ich bin sehr ausgeglich­en – und das hängt damit zusammen, dass ich sehr zufrieden bin mit meinem Beruf wie auch mit den Menschen um mich herum. Es ist einfach eine sehr stressfrei­e Zeit im Moment. Der größte Erfolg in Ihrem Leben sei die Heilung Ihrer Lebensgefä­hrtin Donnice von ihrer Suchterkra­nkung – warum wiegt dieser Erfolg mehr als alles andere? CARPENDALE Ein Künstler, der über sein Leben nachdenkt, weiß, dass er ein Egoist ist – anders kannst du in dieser Branche nicht über Jahrzehnte erfolgreic­h sein. Ich habe mich immer gefragt: Wie egoistisch bin ich eigentlich? Denn ich möchte nicht so egoistisch sein, dass es anderen Menschen weh tut – und der Weg mit Donnice hat mir gezeigt: Geht es einem mir lieben Menschen wirklich schlecht, dann gebe ich alles auf, um diesem zu helfen. Und zu erfahren, dass auch dies ein Teil von mir ist, das war mir sehr wichtig und hat mir gut getan. CHRISTOPH FORSTHOFF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: L. BERNS Der 71-Jährige war in seiner Jugend Kugelstoße­r, mittlerwei­le spielt er Golf – „ein Sport, wo niemand weiß, was du tust“.

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