Rheinische Post Kleve

Grönert: „Man soll sich nicht wohlfühlen“

- VON MATTHIAS GRASS

Noch bis zum 19. November sind die Arbeiten von Tea Mäkipää in Museum Schloss Moyland zu sehen. Die RP stellt die zentrale Installati­on vor.

BEDBURG-HAU-MOYLAND Die Warnung klingt gleich mit, als Alexander Grönert die kleine, wackelige Tür zu einem Kabuff öffnet: „Man soll sich nicht wohlfühlen“, sagt der Moyländer Kunsthisto­riker, der die derzeit laufende Ausstellun­g mit Werken der finnischen Künstlerin Tea Mäkipää kuratiert hat. Man muss nämlich schon tief hinunter, will man sich setzen: Die zwei kleinen Hocker laden nicht wirklich ein, hineinzuge­hen. Sollte man aber tun – sich hinsetzen in diesen kleinen Raum inmitten der großen Installati­on „escape allee“, der den kompletten Mittelteil der Vorburg II füllt. Noch bis zum 19. November sind die Arbeiten der Finnin zu sehen, in deren Werk man hier sogar hinein kann.

Auf einem großen Flachbilds­chirm über den beiden Hockern laufen Bilder einer öden Landschaft, es fließen Daten über den Schirm. „Es ist gefundenes Videound Bild-Material, das Mäkipää dort zur Endlosschl­eife zusammenge­fügt hat. Sie hält uns so auch die ständige Überwachun­g durch Big- Data vor Augen“, sagt Grönert. Das zeigen auch die Videokamer­as, die die Künstlerin überall aufgehängt hat, die Platinenmu­ster auf der Außenwand des Kabuffs. Zugleich wirbt eine schrille Anzeige in dem Kabuff für Pillen: „Fühlst du dich seltsam?“, fragt es da – und eine Hand reicht gleich die bunten Pillen an, die man einnehmen soll, wenn man nicht den gängigen, stromlinie­nförmigen Vorstellun­gen entspricht. „Wir sollen eben nicht mehr rebelliere­n, wir sollen uns nur noch wohlfühlen und nicht die Regeln in Frage stellen“, sagt Grönert. Sonst: Nimm die Pillen, schreit das Plakat in schrillen Farben, wenn Symptome auftreten, die die Regeln hinterfrag­en. Die Tür unter dem Titel „Der dritte Turm“(The Third Tower), die in dieses Kabuff führt, ist nur eine der vielen Möglichkei­ten, die Mäkipää in ihrer Flaniermei­le „escape allee“bietet. „Die Rauminstal­lation escape allee führt uns in eine Straße mit Schaufenst­erfronten zu beiden Seiten. Der Flaneur in dieser Straße muss sich zwischen den verschiede­nen Waren, Ideologien und Glaubensfo­rmen, die ihm angeboten werden, entscheide­n. “, erklärt Grönert. Unterschie­dliche Geschäfte und Organisati­onen haben hier ihre Dienstleis­tungszentr­en, Kioske, Agenturen und Büros errichtet, suggeriert die Installati­on im Schloss. Sie alle werben mit Beschriftu­ngen, Signalen und grafischen Elementen für ihr Angebot. „Dabei nutzen sie die visuelle Sprache von Produktdes­ign und Werbung“, erklärt Grönert.

Mäkipää verarbeite­t auch eigene Erfahrunge­n jenseits der Glitterwel­t: Als sie in Berlin in einen türkischen Kulturclub geht, ist sie nicht wirklich willkommen, erzählt Grönert. Das Erlebnis wurde zum Teil der Installati­on. Diese Tür kann man nicht öffnen. Und ein Schild sagt: „Für Nichtmitgl­ieder: Sie werden nie wissen, was wir hier tun“. Eine abgeschlos­sene Gesellscha­ft in der Gesellscha­ft. Auch nicht besser, als die Glitzerver­sprechen der Konsumgese­llschaft drumherum. Man soll sich eben nicht gemütlich einrichten ohne zu hinterfrag­en - nicht inmitten der Glitzerwel­t, nicht im versteckte­n Club hinter verschloss­ener Tür.

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Hinein in die Kunst: Alexander Grönert öffnet die Tür zum Eintritt in ein Welt von Tea Mäkipää.

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