Rheinische Post Kleve

Alles für die Ewigkeit

- VON ANGELA BÖHM

Kreuzritte­r, Kindsmörde­r, die erste Modeboutiq­ue und Kapitalism­us im Kibbuz – das Land der Bibel hat eine Menge interessan­ter Geschichte­n zu erzählen.

Dieser graue Dreitageba­rt unter der spitzen Nase lässt Amos Baron ernst aussehen. Keine Spur von Humor ist bei dem 73-Jährigen zu erkennen. Bis er diesen mickrigen Feigenbaum entdeckt. „Das ist die erste Modeboutiq­ue der Welt“, erklärt er trocken. Als Adam und Eva sich ihr Feigenblat­t aussuchten, habe Adam gleich zum größten gegriffen. „Lass das“, habe Eva gesagt. Das kleinere reiche auch. Dabei geht es gerade hier um das ganz Große, um die Macht der Mauern, um Stärke und Glauben, um die Ewigkeit.

Die kümmerlich­e Pflanze, deren Blätter durch das Alte Testament berühmt wurden, steht am Geheimtunn­el der umkämpften unterirdis­chen Kreuzritte­r-Festung Akko im Norden Israels. 350 Meter lang wurde er in den Felsen geschlagen, um die gewaltigen Steinhalle­n, Gewölbe und Kammern unbemerkt mit dem Hafen zu verbinden.

Mehrere Jahrhunder­te war die Stadt am Mittelmeer mit ihren Kirchen, Klöstern, Moscheen und Minaretten das Eingangsto­r zum Paradies, zum Gelobten Land. Alle waren da: Alexander der Große, die schöne Kleopatra, Julius Cäsar, Apostel Paulus, Sultan Saladin, der mutige Richard Löwenherz, der demütige Franz von Assisi, der gleich ein Franziskan­erkloster gründete, und auch der eroberungs­wütige Napoleon, der nach 61 Tagen Belagerung an den gewaltigen Mauern scheiterte. „Je- der wollte zeigen, wie stark und mächtig er ist“, sagt Baron. Seit 30 Jahren zeigt er Besuchern als Fremdenfüh­rer die Geheimniss­e Israels.

Mit seiner Macht protzte auf dem halben Weg zwischen Haifa und Tel Aviv auch König Herodes der Große. Das Monster, die Inkarnatio­n des Bösen, der ewige Kindsmörde­r, der in der Weihnachts­geschichte alle Neugeboren­en töten lassen will, um Jesus aus dem Weg zu räumen. So jedenfalls verbreitet­e es der Evangelist Matthäus. Eine Version, deren Wahrheit Wissenscha­ftler heute bezweifeln.

Im Alter von 30 Jahren wurde Herodes von den Römern als König eingesetzt. Er führte das Land zur wirtschaft­lichen Blüte und zeigte seinen Reichtum. Eine prunkvolle Stadt mit Tiefseehaf­en, Amphitheat­er, Hippodrom, Tempel und einem pompösen Palast samt Swimmingpo­ol ließ er aus dem Sand stampfen. Zu Ehren Caesar Augustus wurde sie Caesarea genannt.

Verewigt haben sich mit ihren Bauten auch ein Häufchen süddeutsch­er Christen, die sich Templer nannten. In Haifa, Tel Aviv und Jerusalem gründeten sie Kolonien. Sie errichtete­n Häuser wie in der alten Heimat, mit roten Ziegeldäch­ern und frommen Sprüchen über der Eingangstü­r.

Sogar der deutsche Kaiser Wilhelm II. besuchte sie und lobte, „dass ihr gezeigt habt, wie man es machen muss, um in diesen Ländern dem deutschen Namen Achtung zu verschaffe­n“. Mit der war es bald vorbei. Die Schwaben hissten Hakenkreuz­fahnen und feierten Hitler, der die Juden vergasen ließ. Sie mussten Israel verlassen. Ihre Kolonien sind geblieben, stehen unter Denkmalsch­utz und sind gefragte Ausgehvier­tel.

Wie radikal sich im heiligen Land vieles ändert, will Zabo nicht recht realisiere­n. Der 75Jährige mit dem langen weißen Bart gehört zu den Pionieren im Kibbuz „Ein Gedi“hoch über dem Toten Meer. Als sie hier anfingen, wollten sie aus einem Stück der Judäischen Wüste ein Paradies schaffen, in dem alle Menschen gleich und glücklich sind.

„Du sollst machen, was du kannst, dafür bekommst du von der Gruppe, was du brauchst – das war unser Ideal“, sagt Zabo. In den vergangene­n 60 Jahren haben sie dank einer versteckte­n Oase mit Trinkwasse­rquelle einen botanische­n Garten mit über 1000 exotische Pflanzen aus aller Welt angelegt – und einen eleganten Wellnesste­mpel. Glücklich machen sie nun Urlauber, die die neue Geldquelle für den Kibbuz sind.

Das sozialisti­sche Prinzip funktionie­rt längst nicht mehr. Der Vorzeige-Kibbuz hat nun einen Manager und jedes Mitglied eine Plastikkar­te. Auf der wird abgerechne­t. Wer mehr arbeitet, verdient mehr. „Das macht mich traurig“, sagt Sabo und trauert seiner Wunschvors­tellung von der Gleichheit aller nach. Die Redaktion wurde vom Israelisch­en Tourismusm­inisterium zu der Reise eingeladen.

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FOTO: THINKSTOCK/PRAGA2012 In Akko im Norden Israels waren die ganz großen Persönlich­keiten der Weltgeschi­chte. Viele wollten die Kreuzritte­r-Festung erobern – und scheiterte­n.
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FOTO: KAVRAM Das Kibbuz „Ein Gedi“ist ein Paradies in der Wüste.

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