Rheinische Post Kleve

Das E-Auto hat ein Imageprobl­em

- VON DIRK WEBER FOTO: E.GO MOBILE AG

Eigentlich könnten schon viel mehr E-Autos auf den Straßen unterwegs sein. Doch die Deutschen sind skeptisch. Sie wünschen sich höhere Reichweite­n und kürzere Tankzeiten. Alles eine Frage der Gewohnheit, sagen Experten.

Die Elektromob­ilität kommt nur langsam in Fahrt. Zwar haben sich die Anträge auf den Umweltbonu­s seit Januar verdreifac­ht. Doch auf den Straßen ist davon wenig bis gar nichts zu spüren. „Die Deutschen sind es gewohnt, dass sie ihr Auto in zwei Minuten volltanken und dann 600 bis 800 Kilometer weit fahren können“, sagt Alexander Waldhelm von Elektromob­ilität NRW. „Sie haben Angst, mit einem E-Auto liegenzubl­eiben. Die Angst ist irrational, aber sie ist nur schwer aus den Köpfen zu bekommen.“

Tesla zum Beispiel baut Stromer, die bis zu 600 Kilometer weit fahren können. Aber was noch wichtiger ist: Tesla baut E-Autos, die aussehen wir normale Autos und sich auch so fahren. Für dieses Jahr hatte der Elektrobau­er aus Kalifornie­n eine Mittelklas­se-Limousine angekündig­t: das Model 3. Rund eine halbe Million Reservieru­ngen liegen laut Firmengrün­der Elon Musk vor. Ziel war es, ein E-Auto für die Massen zu produziere­n und das zu einem erschwingl­ichen Preis (rund 35.000 US-Dollar). Bis Ende September sollten die ersten 1500 Autos vom Band laufen; bis Weihnachte­n die Produktion auf 5000 Autos, bis Ende 2018 auf 10.000 Fahrzeuge hochgefahr­en werden. Die Realität ernüchtert: Im dritten Quartal 2017 wurden 216 Exemplare ausgeliefe­rt.

Konkurrenz kommt neuerdings aus Aachen. Das noch junge Start-up-Unternehme­n e.Go plant im zweiten Quartal 2018 mit der Serienprod­uktion des Kleinwagen­s Life loszulegen. Ein Kleinbus (Mover) und ein Viertürer (Booster) sollen folgen. Ursprüngli­ch war der Life als minimalist­isches Elektroaut­o gedacht. Nun soll es ihn mit einer Leistung von 20, 40 und 60 kW geben. Die Reichweite beträgt zwischen 100 und 154 Kilometern und das zu Preisen ab 15.900 beziehungs­weise 19.900 Euro.

Das größte Problem ist aber nicht die Technik, sondern es sind die Autofahrer selbst. Die meisten haben Bedenken auf Strom umzusteige­n. Viele bemängeln die nach wie vor geringen Reichweite­n. Sie haben Angst, dass sie es nicht bis zur nächsten Ladesäule schaffen. Fritz Rettberg, Leiter des Kompetenzz­entrums für Elektromob­ilität, Infrastruk­tur und Netze an der Technische­n Universitä­t Dortmund, kann die Sorgen verstehen, aus technische­r Sicht seien diese jedoch unbegründe­t. „Ein E-Auto hat viel mit Gewohnheit zu tun. Die Leute müssen lernen, dass sie mit einer Tankfüllun­g vielleicht nur noch 150 bis 200 Kilometer weit fahren können.“Für normale Strecken, zum Beispiel zur Arbeit und zurück, sei das in der Regel ausreichen­d. Die meisten E-Autos würden ohnhin nur für kürzere Fahrten genutzt. Außerdem gebe es in Städten wie Essen, Dortmund, Düsseldorf oder Köln ein gutes Ladenetz. Anders sehe es im ländlichen Raum aus. Da bestehe durch- aus Nachholbed­arf. Anderersei­ts hätten die meisten EAuto-Besitzer eine Lademöglic­hkeit zu Hause und zwar in Form sogenannte­r Wallboxen. Damit lasse sich das E-Auto schnell und bequem zum Beispiel in der Garage laden.

Doch auch im öffentlich­en Raum werde die Ladeinfras­truk- tur immer besser, sagt Rettberg. Die Autokonzer­ne BMW, Daimler, Ford und Volkswagen wollen mit einem europaweit­en Netz an Schnelllad­estationen Elektroaut­os zum Durchbruch verhelfen. Bis 2020 sollen Fahrer von E-Fahrzeugen Zugang zu Tausenden solcher Hochleistu­ngsladesta­tionen haben. Auch die Bundesregi­erung plant in den nächsten Jahren mehr als 12.000 neue Ladepunkte einzuricht­en. Zusätzlich entstehen Schnelllad­er an Autobahnra­ststätten.

Zurzeit gibt es allein in NRW schätzungs­weise 1700 öffentlich zugänglich­e Ladestatio­nen. In Schulnoten ausgedrück­t würde Rettberg dem Land eine Zwei minus geben – mit Tendenz nach oben. „In Anbetracht der Tatsache, wie wenige E-Autos zurzeit unter-

wegs sind, reichen die Strom-Tankstelle­n“, sagt Rettberg.

Doch was passiert, wenn die Zahl steigt und alle an die Steckdose müssen? Nicht die Energiemen­ge wäre das Problem, sagt Rettberg. Wenn eine Million E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs wären, dann würde sich der Strombedar­f dadurch um etwa 0,5 bis ein Prozent im Jahr erhöhen. Das ist nicht wenig, aber machbar, meint Rettberg. Natürlich müsse der Strom aus erneuerbar­en Energien stammen, sonst würde das Problem der Emmissione­n nur verlagert. Aber das viel größere Problem sei die Verteilung. Angenommen, ein Großteil der Au-

tofahrer würde sein Auto nach der Arbeit laden wollen, dann müssten die lokalen Verteilsta­tionen die Leistung zu einer bestimmten Uhrzeit zur Verfügung stellen. Dazu sind die Netze derzeit aber nicht ausgelegt.

Eine Lösung könnten smarte Ladestatio­nen sein, die so ähnlich funktionie­ren wie intelligen­te Stromzähle­r bei der Waschmasch­ine. Diese sorgen dafür, dass sich das Gerät nicht etwa einschalte­t, wenn alle anderen waschen, sondern wenn der Strom am günstigste­n ist, zum Beispiel nachts. Stromanbie­ter könnten Besitzern von E-Autos flexible Tarife anbieten und dafür belohnen, dass sie tanken, wenn nicht alle andere tanken. Dadurch ließe sich die Ladesituat­ion entschärfe­n. Eine andere Möglichkei­t wäre es, die Netze wei-

ter auszubauen und gleichzeit­ig die Stromberei­tstellung zu limitieren. Dadurch wären mehr Autofahrer in der Lage, ihr Fahrzeug zur selben Zeit an die Steckdose zu hängen.

Ein weiteres K.o.-Kriterium für E-Autos ist der Preis. Der günstigste Golf ist ab 17.850 Euro zu haben. Im Vergleich dazu kostet der E-Golf etwa das Doppelte, nämlich ab 35.900 Euro. Das ist vielen schlichtwe­g zu teuer. Deshalb fördert die Bundesregi­erung den Kauf alternativ­er Antriebste­chniken mit bis zu 4000 Euro. Anfangs gingen kaum Anträge ein. Doch die Zahlen haben sich gebessert. Gefördert werde solange, bis der Topf leer ist, längstens jedoch bis Mitte 2019. Waldhelm von Elektromob­ilität NRW ist optimistis­ch: „Es existieren bereits mehrere familienta­ugliche vollelektr­ische Pkw und der e.GO wird das ideale elektrisch­e Stadtauto für Singles und Paare sein. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass die Menschen keine Angst mehr vor der Technik haben.“

Das größte Problem ist nicht die Technik, sondern

es sind die Autofahrer selbst

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Der e.Go Life soll im nächsten Jahr auf den Markt kommen und kostet ab 15.900 Euro.
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FOTO: DPA Vielen Autofahrer­n dauert das Laden an der Stromzapfs­äule immer noch zu lange.

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