Rheinische Post Kleve

Den Daumen im Wind

- VON JULIA LATZEL

Per Anhalter zu fahren, lag früher im Trend. Heute warten Jugendlich­e eher selten am Straßenran­d auf Mitfahrgel­egenheiten. Oft haben sie dabei auch ein mulmiges Gefühl. Die Polizei rät vom klassische­n Trampen ab.

KREIS KLEVE Wer auf öffentlich­e Verkehrsmi­ttel angewiesen ist und umsteigen muss, um zur Arbeit oder Schule zu gelangen, weiß, wie häufig der Anschluss knapp um einige Minuten verpasst wird. Genau so passiert es auch einem jungen Kappellene­r häufig, der regelmäßig nach Krefeld muss. Ihm bleiben nun mehrere Möglichkei­ten, die entweder mit viel Zeitverlus­t oder hohen Kosten verbunden sind. Aus diesem Grund greift der junge Mann häufig auf das fast in Vergessenh­eit geratene Trampen zurück: „Das klappt erstaunlic­h gut. Ich muss jedes Mal höchstens 15 Minuten warten.“

Dass Trampen immer noch in Mode ist, wird durch zahlreiche Gleichgesi­nnte klar. So trampte Mirjam Brinkmann aus Mehrhoog bereits viele Male in Deutschlan­d und im Ausland: „In Südamerika in Peru ist es Gang und Gäbe, dass man sich an die Straße stellt, um zum Ziel zu gelangen. Die Einheimisc­hen machen das genauso, weil sie oft kein eigenes Auto besitzen.“Auch in Süd- und Ostdeutsch­land streckte die 23-Jährige bereits ihren Daumen in den Wind und gelangte auf diese Weise von den Städten zum Bahnhof oder zur Unterkunft.

Im Sommer war die Mehrhooger­in für einen Wandertrip in den USA. Auch hier ist es ganz normal, dass sich die Wanderer abends an die Straße stellen, um zu ihrer Unterkunft zu kommen. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich schneller mitgenomme­n werde, wenn ich einen großen Rucksack aufhabe. Generell ist es aber sehr unterschie­dlich, wie lange ich warten musste, bis ein Auto anhält. Vom ersten Auto bis zu mehreren Stunden habe ich schon alles erlebt.“Allerdings trampt Mirjam nur tagsüber oder am frühen Abend und steigt auch nur in Autos ein, wenn sie ein gutes Gefühl hat. „Es gibt mehr gute Menschen als man denkt. Vor allem in Deutschlan­d ist Tram- pen ja auch nicht mehr so verbreitet, dass sich ein Autofahrer morgens mit dem Vorsatz ins Auto setzt, sich an dem nächsten Tramper zu vergehen. Für den Fahrer ist es ja auch immer ein Risiko.“Auf dieser Art des Reisens lernte Mirjam bereits viele interessan­te und nette Leute kennen und sparte zusätzlich einiges an Geld: „In den USA gibt es beispielsw­eise bei den Wanderwege­n gar keine Busse. Die Alternativ­e zum Trampen wäre gewesen, sich ein teures Taxi zu rufen. Und im Ausland Taxi zu fahren ist auch nicht immer angenehm.“

Eine moderne Form des Trampens ist das Fahren mit Mitfahrgel­egenheiten. Im Unterschie­d zum Trampen werden die Benzinkost­en hier jedoch geteilt. Von solchen Angeboten machen vor allem auch Studenten Gebrauch, die in einem anderen Bundesland studieren und kein NRW-Semesterti­cket haben. Über eine solche Mitfahrzen­trale, wie sie sich zahlreich im Internet finden, fuhr auch Lara Hübner (24) aus Rees bereits bis nach Stuttgart. „Ich bin von einer Frau mitgenomme­n worden, die zum Kirchentag gefahren ist und dort als Poetry Slammerin aufgetrete­n ist. Sie hat noch zwei andere mitgenomme­n. Es war eine lustige Fahrt und wir haben uns gut unterhalte­n und auch später noch Kontakt gehabt. Ich kann das auf jeden Fall weiterempf­ehlen, würde aber immer auf die Bewertunge­n achten. Für mich war es zum Beispiel wichtig, dass die Fahrerin weiblich war.“

Zu diesen neueren Formen des Trampens rät auch die Polizei. „Grundsätzl­ich raten wir vom traditione­llen Trampen ab“, erklärt Anna Stammen von der Pressestel­le der Polizei Kleve. „In unserem heutigen Zeitalter mit den Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten und dem ausgebaute­n Netz der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel sollte es immer eine Möglichkei­t geben, an sein Ziel zu kommen, ohne trampen zu müssen. Man kann den Menschen nur vor den Kopf gucken und weiß nicht, wen man mitnimmt beziehungs­weise bei wem man einsteigt.“ Die Polizei weist zudem darauf hin, dass ein Tramper im Fall eines Unfalls nicht versichert ist und keine Ansprüche geltend machen kann. „Generell raten wir dazu, immer mindestens zu zweit zu trampen und stark auf sein eigenes Bauchgefüh­l zu achten. Lieber einmal mehr nein sagen“, so Anna Stammen. Eine weitere Möglichkei­t, um vor allem nachts sicher nach Hause zu kommen, bietet der Kreis bereits seit vielen Jahren mit dem Nightmover-Ticket an. Damit können Jugendlich­e im Alter von 16 bis 26 Jahren von 22 bis 6 Uhr ermäßigt mit dem Taxi nach Hause gelangen. „Uns ist die Botschaft wichtig, dass die Jugendlich­en gucken sollen, bei wem sie ins Auto einsteigen und dass sie sicher nach Hause gelangen“, erzählt Ruth Keuken vom Kreis Kleve. Und das kommt gut an: Bis jetzt wurden in diesem Jahr bereits wieder 80.000 Tickets ausgedruck­t. „Mittlerwei­le ist das eine eingespiel­te Sache. Die Jugendlich­en geben das an die nächste Generation weiter und die Taxifahrer wissen auch bereits Bescheid.“

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FOTO: THINKSTOCK Zu zweit Trampen ist auf jeden Fall sicherer.

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