Rheinische Post Kleve

Verrückt? Na und!

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Plötzlich ist es still im Raum. Alle Schüler hören der Geschichte von Alice zu. Sie erzählt von einem magersücht­igen Mädchen, das einen Selbstmord­versuch begeht, in der Klinik schlecht behandelt wird, sich durch ein Medizinstu­dium ins Leben zurückkämp­ft, bis sie während einer AnatomiePr­üfung eine Psychose erleidet und beginnt, Cannabis zu rauchen. Nur ist es keine Geschichte, sondern Wirklichke­it. Alice sitzt im Stuhlkreis zwischen Schülern des Berufliche­n Gymnasiums für Gesundheit am Berufskoll­eg Kleve und erzählt von ihrem eigenen Leben: „Ich dachte der Geheimdien­st ist hinter mir her. Es war eine Parallelwe­lt, in der ganz viele wichtige Menschen Interesse an mir haben. Um weg von dem Chaos in meinem Kopf zu kommen, habe ich Cannabis geraucht.“20 Prozent der 13- bis 18-Jährigen haben psychische Gesundheit­sprobleme. In dieser Lebensphas­e beginnen Essstörung­en, Süchte, Depression­en oder Ängste so häufig wie in keinem anderen Lebensabsc­hnitt. In der Schule werden diese psychische­n Erkrankung­en oft auffällig. Das Schulproje­kt „Verrückt? Na und!“versucht, Schüler zu sensibilis­ieren und Offenheit zu fördern: „Wir trainieren Achtsamkei­t. Es ist ein Schutzfakt­or, wenn die Mitschüler sich gut kennen und aufmerksam für einander sind“, erklärt Ingrid Klösters vom Verein Papillon, der das Projekt im Kreis Kleve durchführt. Die Schüler werden in Rollenspie­len und über die eigenen Lebenserfa­hrungen wie Prüfungsst­ress, Mobbing oder Belastunge­n in der Familie zunächst persönlich mit dem Thema psychische Gesundheit konfrontie­rt, bevor in Gruppenarb­eiten verschiede­ne Aufgaben gelöst werden sollen, die über Krankheits­bilder informiere­n und sensibilis­ieren. Die Schüler lernen Warnsignal­e und Faktoren kennen, die begünstige­n, dass ein Mensch gesund bleibt: Optimismus, Akzeptanz, Lösungs- und Zukunftsor­ientierung zum Beispiel. In der Schule kann ein gutes Klassenkli­ma und eine gute Stimmung positiv wirken. „Es gibt immer mehr Schüler, die den Halt verlieren, Unterstütz­ung brauchen und zum Glück Hilfe annehmen“, sagt Katja Reinhard, Sozialarbe­iterin am Berufskoll­eg Kleve. Besonders eindrucksv­oll ist für die Schüler das Gespräch mit Alice. „Was sie erzählt, ist spannend und interessan­t. Ich habe großen Respekt vor ihrer Offenheit“, sagt einer von ihnen.

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FOTO: NN Die Schüler im Gespräch mit Schulsozia­larbeiteri­n Katja Reinhard (rechts) und Ingrid Klösters von Papillon ( links)

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