ATP testet Tennis-Revolution
Neue Regeln sollen das Spiel attraktiver machen. Es gibt keinen Einstand mehr und die Sätze gehen nur bis vier.
DÜSSELDORF/MAILAND In einem neuen Turnier will die ATP-Tour nicht nur die besten jungen TennisProfis ins Rampenlicht stellen. Bei den „Next Gen Finals“werden auch neue Regeln getestet, die die Matches kürzer und unterhaltsamer machen sollen. Die Fans sind skeptisch. Die besten acht U21-Profis spielen in Mailand um den Titel – in der Theorie. Der Hamburger Alexander Zverev (20) hat sich als Nummer drei der Weltrangliste für das große ATP-Finale ab 12. November in London qualifiziert und auf die Version für die „Kleinen“verzichtet.
Seit Jahren gibt es Gedankenspiele, die Matches zu verkürzen und für TV-Zuschauer attraktiver zu machen. Bei Showturnieren werden immer wieder neue Formate getestet. Auch in Mailand geht es nicht um Weltranglistenpunkte. Und so wird die inoffizielle U21-WM zum Versuchslabor.
Gespielt wird über fünf Gewinnsätze. Um sich einen Satz zu holen, muss der Spieler aber nur vier Spiele gewinnen statt wie üblich sechs. Steht es 3:3, geht es in den Tiebreak. Zudem gibt es, wie das im Doppel schon seit Jahren praktiziert wird, keinen Einstand mehr. Bei 40:40 entscheidet der nächste Punkt. Wie in offiziellen Turnieren hat der Aufschläger 25 Sekunden Zeit, um wieder zu servieren. Doch anders als auf der Profi-Tour steht in Mailand eine Stoppuhr auf dem Platz, die für alle sichtbar gnadenlos runtertickt und eine deutlich strengere Regelauslegung mit sich bringt. Zudem ist die Einschlagphase kürzer.
Doch die neuen Regeln gehen noch weiter. So wird weitergespielt, wenn der Ball beim Aufschlag die Netzkante berührt. Zudem dürfen die Trainer in bestimmten Momenten mit den Spielern kommunizieren und taktische Tipps geben. Diese Regel kennt man schon aus dem Damentennis von der WTA-Tour. Die Zuschauer dürfen auch während der Ballwechsel auf den Tribünen herumwandern – eigentlich ein klarer Bruch der Etikette im Tennis.
Linienrichter sucht man während der Veranstaltung in Mailand vergeblich. Stattdessen zeigt das sogenannte Hawk-Eye an, wenn ein Ball
Chris Kermode im Aus war. Der Ausruf kommt vom Band. Bislang wurde dieses computergestützte System nur angewendet, um Entscheidungen der Linienrichter zu überprüfen.
ATP-Präsident Chris Kermode ist überzeugt, dass sich im Tennis etwas ändern muss. „Die Sport- und Unterhaltungslandschaft befindet sich in einem rasanten Wandel und auch die Art, wie Fans den Sport konsumieren, ändert sich“, erklärte der Brite. „Bei dem Event geht es nicht nur um die nächste Generation von Spielern, sondern auch um die nächste Generation von Fans.“
Bei der aktuellen Fan-Generation werden die Änderungen aber skeptisch gesehen. „Ihr macht unseren Sport kaputt“, lautet der Vorwurf vieler Anhänger in den sozialen Netzwerken. Positive Reaktionen gibt es nur wenige. Auch die Spieler äußerten sich verhalten. „Manche Änderungen sind vernünftig und werden von der Mehrheit der Spieler akzeptiert. Andere eher weniger“, sagte der ehemalige Branchenführer Novak Djokovic (Serbien), als er im Mai auf die neuen Regeln angesprochen wurde.
Auch der Weltranglisten-Erste Rafael Nadal äußerte sich vor allem zur Stoppuhr kritisch: „Es geht doch darum, was die Fans wollen. Wenn sie kurze Punkte befürworten, bei denen die Spieler nicht viel nach- denken und nur auf Winner gehen, ist die Shot Clock vielleicht gut. Du kannst aber keine Rallys mit 50 Schlägen erwarten, wenn du in 25 Sekunden bereit für den nächsten Punkt sein musst“, sagte der Spanier.
Bei aller Skepsis eignet sich die Show-WM der Jungprofis in der norditalienischen Metropole ideal als Test der neuen Regeln. „Ich habe andere Sportarten gesehen, in denen die Zuschauerzahlen eingebrochen sind. Dann wurden panisch Veränderungen eingeführt“, sagt Kermode. „Dem Tennissport geht es so gut wie selten zuvor. Wir können jetzt neue Sachen austesten, ohne überstürzte Entscheidungen treffen zu müssen.“
Erste „Versuchskaninchen“waren die Russen Karen Chatschanow und Daniil Medwedew. Sie eröffneten das Turnier auf einem Platz, auf dem nur ein Einzelfeld markiert war und die Linien für Doppelspiel fehlten.
„Die Sport- und Unter
haltungslandschaft befindet sich in einem
rasanten Wandel“
ATP-Präsident