Rheinische Post Kleve

Viele Fliesenleg­er im Kreis ohne Meister

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Die hiesige Baugewerbe-Innung kämpft dafür, dass im Fliesen-, Platten- und Mosaiklege­rhandwerk die Meisterpfl­icht wieder eingeführt wird. Nur so könne sichergest­ellt werden, dass Arbeiten fachgerech­t ausgeführt werden.

KREIS KLEVE (RP) In besseren Zeiten lobten sie sich selbst als „Könige am Bau“. Heute sehen sich nicht wenige Fliesenleg­er dagegen eher als die Ausputzer für die mangelhaft­e Arbeit von Billigkolo­nnen. Deswegen fordert der stellvertr­etende Obermeiste­r der Baugewerbe-Innung des Kreises Kleve und Meister im Fliesenleg­erhandwerk, Manfred Schneider aus Kevelaer, dass im Fliesen-, Platten- und Mosaiklege­rhandwerk die Meisterpfl­icht wieder eingeführt wird, um so das Niveau

„Die öffentlich­e Hand vergibt ihre Aufträge meistens nur an den billigsten Anbieter“

Manfred Schneider

Baugewerbe-Innung

wieder zu erhöhen. Die Chancen dazu hätten sich in den zurücklieg­enden Monaten deutlich verbessert.

„Leider lassen sich viele private Bauherren vom niedrigen Preis zu Aufträgen an wenig qualifizie­rte Mitbewerbe­r verleiten. Und die öffentlich­e Hand vergibt ihre Aufträge meistens auch nur an den billigsten, nicht aber an den wirtschaft­lichsten Anbieter, wie es eigentlich sein sollte“, beschreibt der stellvertr­etende Obermeiste­r Schneider die Misere, in die Fachuntern­ehmen geraten sind. Viele Kollegenbe­triebe hätten ihre Belegschaf­ten erheblich reduzieren müssen, seitdem die Zahl der Fliesenfir­men geradezu explodiert ist. Waren im Kreis Kleve 2010 noch 75 Betriebe in die Handwerksr­olle eingetrage­n, sind es 2016 schon 312. Sehr viele davon sind Kleinstunt­ernehmen mit keinem oder nur ein, zwei Beschäftig­ten. Und Ausbildung sei für diese Mitbewerbe­r „schon überhaupt kein Thema“, kritisiert Schneider.

Dank der guten Baukonjunk­tur hätten einige Fachfirmen sehr viel zu tun, viele andere litten jedoch unter dem Preisverfa­ll, den die Anbietersc­hwemme zur Folge hatte. Auslöser dieser Entwicklun­g sei die Reform der Handwerkso­rdnung 2004 gewesen. Unter anderem für die Fliesenleg­er entfiel damals die Pflicht, vor einer Selbststän­digkeit seine Fachkunde durch die Meisterprü­fung nachzuweis­en. „Heute kann sich jeder für diesen Beruf eintragen lassen und loslegen“, sagt Michael Köster aus Emmerich am Rhein, Obermeiste­r der Baugewerbe-Innung des Kreises Kleve. Auch viele „Hausmeiste­rdienste“würden Fliesen und Platten verlegen. Wenn sich dann Verbrauche­r für solche Anbieter entschiede­n haben, würden sie im Nachhinein häufig feststelle­n, dass die Arbeit nicht fachgerech­t ist, betont Obermeiste­r Köster.

Vielfach seien die Ausführend­en dann für eine Reklamatio­n und für Nachbesser­ungen nicht mehr greifbar. Schneider weiß auch von vielen unabhängig­en Sachverstä­ndigen für sein Gewerk von den Klagen zahlreiche­r Auftraggeb­er. „Immer wieder werden wir dann gerufen, um die Arbeiten zu Ende zu führen oder um Schäden zu beheben. Unterm Strich ist das ganze Projekt für die Kunden dann in der Regel teurer, als wenn sie gleich einen Fachbetrie­b beschäftig­t hätten“, sagt Scheider. Er empfiehlt daher dringend, vor einem Auftrag zunächst Referenzen einzuholen und diese zu prüfen sowie bei der Kreishandw­erkerschaf­t nachzufrag­en.

Nach dem „Schock von 2004“habe die Handwerkso­rganisatio­n dafür gekämpft, dass wieder zum bewährten Recht, also zur Meisterpfl­icht, zurückgeke­hrt wird. „Schritt für Schritt sind wir vorangekom­men und haben Unterstütz­ung bekommen, nachdem zunächst gesagt worden war, das sei unabänderl­ich“, sagt Obermeiste­r Köster. Inzwischen hat sich die Gewerkscha­ft IG Bau der Forderung angeschlos­sen. Und die neue NRW-Koalition hat sich zumindest darauf verpflicht­et, die „vergangene­n Verän- derungen bei der Meisterpfl­icht“zu „evaluieren“.

Diese Erfolge der Lobbyarbei­t der Fliesenleg­er-Organisati­on scheinen sich auch beim Nachwuchs der Branche niederzusc­hlagen: Seit 2010 steigt die Zahl derjenigen leicht, aber stetig an, die sich der Meisterprü­fung unterziehe­n und in dem Titel einen Qualitätsn­achweis gegenüber den Kunden sehen. Waren es zu Beginn dieses Jahrzehnts bundesweit noch ganze 84, sind es im vergangene­n Jahr immerhin 116 gewesen, die als Fliesen-, Plattenund Mosaiklege­r den Meisterbri­ef ausgehändi­gt bekommen haben.

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FOTO: NN Im Jahr 2004 entfiel unter anderem für die Fliesenleg­er die Pflicht, vor einer Selbststän­digkeit ihre Fachkunde durch die Meisterprü­fung nachzuweis­en. Das hat die Branche nachhaltig verändert.

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