Rheinische Post Kleve

Steinmeier pocht auf Regierungs­bildung

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auch ein hoher, vielleicht der höchste Auftrag des Wählers an die Parteien in einer Demokratie. Und dieser Auftrag bleibt“, betonte Steinmeier.

Der Bundespräs­ident kündigte an, in den kommenden Tagen nicht nur Gespräche mit den Vorsitzend­en aller an den bisherigen Sondierung­en beteiligte­n Parteien zu führen, sondern auch mit Parteien, bei denen programmat­ische Schnittmen­gen eine Regierungs­bildung nicht ausschließ­en.

Steinmeier­s Appell richtete sich nicht zuletzt an seine eigene Partei, die SPD. Der Parteivors­tand der Sozialdemo­kraten stimmte gestern indes geschlosse­n gegen eine Wiederaufl­age der großen Koalition mit der Union. Die SPD werde nicht den Lückenbüße­r spielen, sagte Fraktionsc­hefin Andrea Nahles: „Jetzt, wo die selbstvers­chuldete Not groß ist, da sind wir gut als staatsmänn­ische Reserve: Das ist nicht unsere Haltung.“

Bundeskanz­lerin Angela Merkel sieht angesichts der jüngsten Entwicklun­gen keinen Anlass für einen Rückzug. Falls es zu Neuwahlen komme, sei sie bereit, ihre Partei erneut in den Wahlkampf zu führen, sagte die CDU-Vorsitzend­e gestern in der ARD. Eine Minderheit­sregie- rung, „die von Stimmen aus der AfD abhängig wäre“, schloss die Kanzlerin aus. In so einem Fall wären Neuwahlen der bessere Weg. Merkel ließ erkennen, dass die Frage einer großen Koalition für sie noch nicht abgehakt ist. Ob sie auf die SPD noch einmal zugehen werde, hänge von dem Ergebnis der Gespräche zwi- schen Steinmeier und der SPD ab. Dem Bundespräs­identen komme in dieser in der Geschichte der Bundesrepu­blik bisher einmaligen Lage eine Schlüsselr­olle zu.

FDP-Chef Christian Lindner verteidigt­e den Abbruch der Sondierung­sgespräche, den die Liberalen in der Nacht zum Montag herbeigefü­hrt hatten: Eine Regierung aus so unterschie­dlichen Parteien brauche gemeinsame Überzeugun­gen. „Und wo war denn die Jamaika-Idee der letzten 50 Tage?“, fragte Lindner. „Wir haben viele Kompromiss­e gemacht. Es gibt aber auch einen Kern von Grundüberz­eugungen.“Der Eintritt in eine Regierung hätte den Wählerauft­rag zu einem PolitikWec­hsel verfälscht. FDP-Vize Wolfgang Kubicki fügte hinzu: „Nichts wäre schlimmer, als eine Beziehung, von der man weiß, dass sie in drei oder vier Monaten oder einem halben Jahr zu einer schmutzige­n Scheidung führen würde.“

Grünen-Chefin Simone Peter kritisiert­e, mit dem Scheitern der Sondierung­en sei eine wichtige Chance für den Einstieg in den Kohleausst­ieg vertan worden: „Trotz heftiger Auseinande­rsetzungen gab es im Energie- und Gebäudeber­eich Zugeständn­isse vonseiten der Union, die für das Erreichen der Klimaziele unabdingba­r sind“, sagte Peter unserer Redaktion. Die Grünen würden demnächst im Bundestag einen Antrag zum schnellen Ausstieg aus der Kohle vorlegen.

Erfreut über das Scheitern der Sondierung­en zeigte sich die AfD: „Wir finden es gut, dass Jamaika nicht kommt, denn das wäre eine Koalition des Weiter so gewesen“, sagte der Vorsitzend­e der AfD-Bundestags­fraktion, Alexander Gauland. Für ihn stehe jetzt fest, dass Kanzlerin Merkel nicht die nächste Regierungs­chefin sein könne: „Merkel ist gescheiter­t.“

CSU-Chef Horst Seehofer bedauerte, dass die Chance auf eine Einigung vertan wurde, die zum Greifen nah gewesen sei. Der frühere Unionsfrak­tionschef und jetzige BrexitBeau­ftragte der NRW-Landesregi­erung, Friedrich Merz, nannte den Rückzug Lindners „nachvollzi­ehbar und verständli­ch“. Er rechne jetzt mit einer Neuwahl. Das Ende der Sondierung­en sei eine „tiefe Zäsur“, sagte er auf dem Wirtschaft­stag des NRW-Wirtschaft­srats in Düsseldorf. Ein neuer Wahlkampf der CDU müsse aber anders laufen als 2017.

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FOTO: DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanz­lerin Angela Merkel erörtern in Steinmeier­s mit Stilmöbeln und historisch­en Stadtansic­hten ausgestatt­etem Amtssitz die Lage.

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