Rheinische Post Kleve

In Paris bangen sie um Merkel

- VON MATTHIAS BEERMANN

Für die Umsetzung seiner EU-Reformen braucht Präsident Macron Berlin.

PARIS Im Terminkale­nder von Emmanuel Macron war der Beginn dieser Woche reserviert für Europa. Ein Dutzend Parteichef­s hatte er in den Elysée-Palast geladen, um über einen neuen Abstimmung­smodus für die Europawahl 2019 zu sprechen. In zwei Jahren sollen die Bürger die Reformen der EU absegnen, die Frankreich­s Präsident bis dahin umsetzen will – gemeinsam mit Deutschlan­d wohlgemerk­t. Entspreche­nd besorgt wurde in Paris die Nachricht vom Platzen der Berliner Jamaika-Sondierung­en aufgenomme­n. Denn nun gerät Macrons Zeitplan kräftig ins Wanken.

„Es ist nicht in unserem Interesse, dass sich das verkrampft“, kommentier­te Macron gestern Morgen kurz angebunden. „Für uns bedeutet das, dass wir weiter vorangehen müssen.“Jetzt erst recht. Noch in der Nacht habe der Präsident mit Angela Merkel telefonier­t, ließ der ElyséePala­st später wissen, ohne Details aus dem Gespräch mitzuteile­n. Und natürlich bleibe man guter Dinge, dass Deutschlan­d als Frankreich­s Partner stabil und stark genug bleibe, um an einem ehrgeizige­n europäisch­en Projekt zu arbeiten.

Dieses Projekt, eine ganze Wundertüte voller Reformvors­chläge für die EU, hatte Macron in seiner Sorbonne-Rede im September ausgerollt – zwei Tage nach der Bundestags­wahl. Aus Rücksicht auf die Regierungs­bildung in Berlin hatte der Franzose seinen ursprüngli­chen Redeentwur­f zwar noch kurzfristi­g umgestellt und die mutmaßlich in Deutschlan­d umstritten­sten Passagen ganz nach hinten verbannt, darunter vor allem seine Vorschläge zur Reform der Eurozone. Aber die Absicht war klar: Die künftige Bundesregi­erung sollte auf den neuen EU-Kurs eingeschwo­ren werden.

Seither wachsen in französisc­hen Regierungs­kreisen Ungeduld und Nervosität. Ungeduld, weil sich das Fenster für größere europapoli­tische Würfe schon bald wieder zu schließen droht. Bis zum Mai oder Juni, so glaubt man im Elysée, müsse man wichtige Pflöcke einschlage­n. Danach drohe die Endphase der derzeit ohnehin gefährlich stockenden Brexit-Gespräche alles zu überlagern. Und Nervosität, weil die hochfliege­nden französisc­hen Plä- ne wenn überhaupt nur mit deutscher Rückendeck­ung durchzuset­zen sind.

Zuletzt hatten französisc­he Emissäre in Berlin freilich nicht mehr nur auf Tempo bei der Regierungs­bildung gedrungen, sondern auch auf Flexibilit­ät. „Was nützt uns ein Koalitions­vertrag, in dem von vorneherei­n jede signifikan­te EU-Reform ausgeschlo­ssen wird?“, formuliert es ein Pariser Diplomat. Nun stellt sich eine ganz neue Frage: Was nützt Macron eine schwache Bundesregi­erung oder gar ein Kanzleramt ohne Merkel? Der Präsident hatte ganz auf Europas erfahrenst­e Politikeri­n gesetzt, um innenpolit­ische Widerständ­e in Deutschlan­d abzuräumen. Seit gestern muss er um diese Verbündete bangen.

 ?? FOTO: AP ?? Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hatte bei seinen EU-Formen ganz auf Europas erfahrenst­e Politikeri­n gesetzt: Angela Merkel.
FOTO: AP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hatte bei seinen EU-Formen ganz auf Europas erfahrenst­e Politikeri­n gesetzt: Angela Merkel.

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