Rheinische Post Kleve

Vier Keime, die Krebs auslösen können

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Infektione­n mit Bakterien und Viren können Krebs zur Folge haben. Impfungen sind teilweise möglich.

Rauchen, Alkohol, Fleisch und Bewegungsm­angel – meistens sind es diese vier Übel des Wohlstandl­ebens, die als Auslöser von Krebs genannt werden. Doch Studien zeigen: Viren und Bakterien sind mindestens genauso gefährlich. Und auch hier sind es vor allem vier Keime, die von sich reden machen.

Ein Forscherte­am der Internatio­nalen Agentur für Krebsforsc­hung in Lyon hat die weltweite Krebsdaten­bank Globocan im Hinblick darauf untersucht, wie oft die bösartige Erkrankung durch einen Infekt ausgelöst wird. Das Ergebnis: Rund 15 Prozent, also 2,2 Millionen der Krebserkra­nkungen gehen auf das Konto von Mikroorgan­ismen. Würde man HIV dazu zählen, wären es sogar noch viel mehr. „Doch hier sind die Krebserkra­nkungen in der Regel eine Folge der Immunschwä­che, die durch den Virus ausgelöst wird“, erläutert Studienlei­ter Martyn Plummer. Und den Forschern ging es darum, die direkten Krebsverur­sacher unter den Keimen zu benennen.

Dadurch reduzierte sich das Feld auf zehn Mikroben, von denen wiederum ein teuflische­s Quartett für fast 95 Prozent der Krebsfälle verantwort­lich ist: nämlich die Hepatitis-Viren B und C (HBV und HCV) und die Humanen Papillom-Viren (HPV), sowie eine Bakterie: Helicobact­er pylori. „Sie sind in entwicklun­gsschwache­n Regionen wie südlich der Sahara für ein Drittel aller Krebsfälle verantwort­lich“, betont Plummer. Aber ihr Arm reicht auch bis nach Mitteleuro­pa. In Deutschlan­d ist dieser Magenkeim sehr verbreitet So ist jeder vierte Bundesbürg­er im Besitz von Helicobact­er pylori. Die meisten merken jedoch nichts davon, weil ihre Magenwände mit ihm eine Art Friedenspa­kt schließen. Was den Keim schließlic­h dazu bringt, bei bestimmten Menschen die Zellteilun­g in den Magendrüse­n anzuregen und damit bösartige Geschwüre zu provoziere­n, ist bis heute ungeklärt. Als gesichert gilt allerdings: Wer viel rotes Fleisch verzehrt, macht Helicobact­er stark, denn er benötigt Eisen für sein Wachstum. Fast 90 Prozent aller Magenkrebs­fälle gehen auf sein Konto.

Doch bevor es dazu kommt, kann man Gegenmaßna­hmen ergreifen. Mediziner raten in der Regel: Wer bereits an einem Magengesch­wür oder immer wieder an Gastritis leidet, sollte sich – sofern Helicobact­er, etwa mit Hilfe einer Atemoder Stuhlprobe, sicher nachgewies­en ist – einer Kombi-Therapie aus Antibiotik­um und Magensäure­hemmer unterziehe­n. Das senkt nachweisli­ch und dauerhaft das Krebsrisik­o.

Allerdings bekommen viele Patienten auch nach dem Verschwind­en der Keime noch Säureblock­er, um die von der Infektion geschwächt­en Magenwände zu schonen – und das ist wohl keine gute Strategie. Denn laut einer Studie der Universitä­t Hongkong verdoppelt sich dadurch wieder das Krebsrisik­o. Der Grund: Die Säurehemme­r packen die Magenwände zu sehr in Watte, mit der Folge, dass sie verkümmern – und das bereitet den Boden für Krebsgesch­würe, auch wenn keine Bakterie mehr da ist.

Noch weiter verbreitet als Helicobact­er sind die Humanen PapillomVi­ren, HPV. Fast jeder Mensch wird Name

Art Erkrankung

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Therapie Helicobact­er pylori Bakterium Magenkrebs, Geschwüre in Magen und Zwölffinge­rdarm, Gastritis. Antibiotik­a (mit oder ohne Penicillin möglich) und Magensäure­hemmer. Hepatitis-B-Virus DNA-Virus Akute und chronische Hepatitis B, Spätfolgen sind Leberzirrh­ose und Leberzellk­rebs. Wirkstoffe, die die Vermehrung hemmen. Vorbeugend­e Impfung möglich. im Laufe seines Lebens von ihnen infiziert, was sich etwa in Gestalt von Warzen zeigt. Nach aktuellem Wissenstan­d können jedoch 14 so genannte „Hochrisiko-Typen“des Virus bösartige Zellwucher­ungen am Gebärmutte­rhals und an den männlichen und weiblichen Geschlecht­sorganen sowie im Mundund Rachenbere­ich anstoßen. Womit auch schon klar wird, wie sie in erster Linie übertragen werden: beim Sex. Das Infektions­risiko steigt mit der Zahl der Sexualpart­ner Mit der Zahl wechselnde­r Geschlecht­skontakte steigt deswegen auch das Infektions­risiko. In Deutschlan­d sind 23 Prozent der 26jährigen Frauen mit hochriskan­ten HPV-Typen belastet. Was zwar nicht heißt, dass in jeder von ihnen ein Tumor heranwachs­en wird. Doch das Risiko dafür steigt, je mehr Zeit und Gelegenhei­t der Keim bekommt, sich im Gewebe festzusetz­en und die Zellen mit seinem manipulati­ven Erbgut zu infiltrier­en. Frühe Sexualerfa­hrungen erhöhen daher die Krebswahrs­cheinlichk­eit. Aber auch Rauchen begünstigt das Tumorwachs­tum, weil es die Schleimhäu­te anfälliger für Infektione­n macht. In Deutschlan­d erkranken über 4600 Frauen jährlich Name

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Therapie an Gebärmutte­rhalskrebs, mehr als 1500 von ihnen sterben daran.

Dabei könnten die Zahlen deutlich niedriger sein, denn seit etwa zehn Jahren existiert ein Impfstoff gegen neun der 14 Hochrisiko­typen. Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) empfiehlt, jedes Mädchen bis zum 14. Lebensjahr impfen zu lassen. Doch hierzuland­e bekommt nicht einmal jedes dritte diesen Schutz. Besonders hoch ist die Verweigere­rquote in sozial bessergest­ellten Familien, weil man hier empfänglic­h für die Argumente von Impfgegner­n ist, die in der HPVImpfung nicht nur wenig Effektivit­ät, sondern auch ein hohes Risiko für Nebenwirku­ngen sehen.

Wissenscha­ftliche Rückendeck­ung für diese Bedenken ist freilich rar. Eine aktuelle, in der Fachzeitsc­hrift „Lancet‘“publiziert­e Studie kommt zu dem Schluss, dass die Neunfach-Impfung bei korrekter und flächendec­kender Anwendung 90 Prozent aller Gebärmutte­rhalskrebs­fälle verhindern könnte. Hauptsächl­iche Nebenwirku­ngen seien Haut- und Schmerzrea­ktionen an den Einstichst­ellen, die man, wie die Autoren betonen, „auch oft bei anderen Injektione­n findet“.

Die Hepatitis-Viren B und C stehen hinter dem Alkoholkon­sum an zweiter Stelle aller Leberkrebs­ursa- Humane Papillomvi­ren DNA-Viren Warzen, später Tumoren in Gebärmutte­rhals, Scheide, Penis, Mund, Analbereic­h. Operativ. Vorbeugend ist eine Impfung möglich. Hepatitis-C-Virus RNA-Virus Zuerst unspezifis­che Hepatitis, im chronische­n Verlauf Leberzirrh­ose und Leberzellk­rebs. Wirkstoffe, die die Vermehrung hemmen. Keine Impfung möglich. chen. Wobei die C-Stämme auch noch das Risiko für Bauchspeic­hel-, Darm- und Nierenkreb­s erhöhen und die besondere Heimtücke der B-Variante darin besteht, dass sie den Infizierte­n viele Jahre völlig beschwerde­frei lässt, so dass er lange unerkannt als Überträger – beispielsw­eise beim Sex oder im Tätowierst­udio – aktiv sein kann. Es gibt also genug Gründe, auch hier die Prävention voranzutre­iben. Auch Säuglinge können schon gegen HBV geimpft werden Ein wesentlich­er Schritt dazu sind Tests, mit denen sich die Keime in Blutspende­n nachweisen lassen. Dadurch ging in den vergangene­n Jahrzehnte­n der Anteil von durch Spenderblu­t verursacht­en Leberentzü­ndungen um ein Vielfaches zurück. Die Stiko empfiehlt zudem seit 1995, Säuglinge routinemäß­ig gegen HBV impfen zu lassen. In Taiwan gilt diese Empfehlung – verbunden mit entspreche­nder Öffentlich­keitsarbei­t – schon seit 1984. Seitdem ist dort die Leberkrebs­quote um fast 70 Prozent abgesackt.

Für HCV darf man sich allerdings in dieser Hinsicht kaum Hoffnung machen. „Er widersteht hartnäckig allen Bemühungen, ihn mittels Impfung in den Griff zu bekommen“, erklärt Mansun Law vom Scripps Research Institute in Kalifornie­n. Der Grund: Die bisherigen Impfstoff-Entwicklun­gen zielen auf ein Protein in der Virushülle, mit dem sich der Keim an den Zellen andockt – und das hat sich jetzt in einer Studie der kalifornis­chen Mikrobiolo­gen als Verwandlun­gskünstler herausgest­ellt. Was konkret heißt, dass die Impfung das Immunsyste­m auf etwas sensibilis­iert, das im nächsten Moment höchstwahr­scheinlich nicht mehr existiert. „Wir müssen uns also ein anderes Ziel suchen“, erklärt Law.

Doch bis das gefunden und dann auch noch der passende Impfstoff dazu entwickelt ist, kann es noch dauern.

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