Gewollte Provokation
Der umstrittene TV-Satiriker Jan Böhmermann präsentiert sich ab Freitag in Düsseldorf mit einer Ausstellung. Was hat er vor?
DÜSSELDORF Vergangene Woche entwarf Jan Böhmermann mit seinem Team einen Freizeitpark in Brandenburg. „Reichspark“hieß das Projekt – ein Nazi-Disneyland, mit Geisterbahn, Führerhauptquartier und KZ-Nachbau. Eine ganze Spezialausgabe seiner Fernsehsendung „Neo Magazin Royale“füllten der Satiriker und seine Leute mit einer Doku über den Park. Mit dem Bauherren zogen sie los ins brandenburgische Hinterland. In Italien testeten sie Virtual-Reality-Visualisierungen des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. In England besuchte Böhmermann Pickering, einen Ort, an dem der Zweite Weltkrieg nachgespielt wird. Sie beglaubigten ihren Fake durch die Wirklichkeit, denn das programmierte Auschwitz gibt es wirklich und die Weltkriegs-Simulation in England auch. Das „Reichspark“-Projekt hingegen nicht, das Sujet der Doku war also ein Schwindel. Aber er war so gut gemacht, dass man sich zu fragen begann: Kann das wirklich sein? Und: Sind wir wieder so weit?
Ein Coup war diese Ausgabe des „Neo Magazins“, der Sendung, die seit dem umstrittenen Erdogan-Gedicht vor einem Jahr unter besonderer Beobachtung vor allem der medialen Öffentlichkeit steht. Ein Coup ist es auch, dass nun das Düsseldorfer NRW-Forum Jan Böhmermann und seiner Fernsehproduktionsfirma Bild- und Tonfabrik (BTF) eine Ausstellung widmet. „Deuscthland“heißt die Schau, und, ja, der Schreibfehler ist Absicht. Auf den Plakaten, die die Ausstellung seit vergangener Woche bewerben, ist Böhmermann mit seinem ehemaligen Sidekick William Cohn zu sehen. Das Foto ist jener Szene der pogromartigen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen 1992 nachempfunden, die einen Mann mit
Im Grunde hätte es ein gutes Gespräch werden können. Spannendes Thema, gute Atmosphäre, alles okay. Fast alles. Denn der Kollege kaute mit Inbrunst Kaugummi. Nicht dezent, irgendwo hinten, halb verschämt. Sondern hingebungsvoll, vorn und mit offenem Mund, geräuschvoll und wie ein klischeehafter Cowboy aus einem Film oder – schlimmer noch – wie eine Kuh, die genüsslich frisches Gras zermalmt. Unschön anzusehen ist das Ganze, ein wenig eklig ist es auch, weil das Innere des Mundes definitiv ein zu viel an Information ist – oder ist das Anstellerei?
Dem Kaugummi werden diverse gute Eigenschaften nachgesagt. Zum Beispiel diese: Er regt angeblich den Speichelfluss an, was super sein soll, weil die antibakterielle Wirkung des Speichels schädliche Säuren aus Lebensmitteln wie Obst oder Säften neutralisiert. Angeblich steigern Kaugummi-Kauer sogar die Leistung ihres Lang- und ihres Kurzzeitgedächtnisses und bleiben überdies auch schlanker. Das mag alles richtig sein – und doch gibt es gibt Situationen, in denen es sich schlichtweg verbietet, stumpf vor sich hin zu kaufen. Im Vorstellungsgespräch, in Konferenzen oder beim Küssen (iiih). Wer kurz vor dem Essen merkt, dass er seinen Kaugum- mi nicht entfernt hat, sollte das schleunigst tun – aber nicht, indem er ihn dekorativ auf der Serviette parkt, die neben Messer und Gabel liegt. Besser: unauffällig im Taschentuch verschwinden lassen. Betonung auf „unauffällig“. Also nicht mit Daumen und Zeigefinger aus dem Mund nehmen und auch nicht ins Taschentuch spucken.
Wo wir schon bei Kaugummi-NoGos sind: Wenn es denn sein muss, wegen Gesundheit und Gedächtnis und Gedöns, dann doch bitte möglichst geräuschlos. Mit – wie am liebsten immer, wenn man Nahrung zu sich nimmt – geschlossenem Mund. Einfach so dezent es irgendwie nur geht. Haben Sie auch eine Frage des Stils? Dann schreiben Sie uns gern eine Mail an: stilfrage@rheinische-post.de Jogginghose, Deutschland-Trikot und Hitlergruß zeigten. Daneben ein feixender Kumpel. Schauspieler Cohn indes zeigt den Mittelfinger.
Die Abbildung sei eine Anspielung auf das, worum es in der „sehr politischen Ausstellung“gehen wird, sagt Alain Bieber, Direktor des NRW-Forums. Böhmermann und sein Team würden sich allen voran mit dem „wieder aufkommenden hässlichen Deutschland“beschäftigen. Um das „Reichspark“-Projekt aus der Fernsehsendung werde es in einem besonders brisanten Exponat zur Erinnerungskultur gehen. Über Details schweigen sich das NRW-Forum, die BTF und Böhmermann aus.
Es soll keine Retrospektive werden. Alle Exponate wurden eigens für die Schau erarbeitet, als sogenanntes Mixed Media. Performances, Malerei und Videoinstallationen soll es zu sehen geben – so viel gibt Alain Bieber preis. Zudem herrscht in der Ausstellung ein Fotografier-Verbot. Dies sei Teil der Inszenierung, sagt Bieber. Mehr könne er dazu nicht sagen.
Geheimhaltung und Andeutung gehören neben Antäuschung seit jeher zum Handwerkszeug Böhmermanns. Weder in seiner Fernsehsendung noch in seinem viel beachteten Podcast verlor der Fernsehmacher bislang ein Wort über die Schau. Ende vergangener Woche lud die BTF schließlich ein Video im Internet hoch, das Böhmermann im Künstler-Kostüm zeigt: Hut, speckiger Ledermantel. Ein Beuys für Arme. Aus dem Off rezitiert jemand in brüchigem Deutsch ein Lied der Prinzen. Titel: „Deutschland“.
Fest steht, dass es auch ein Exponat zum türkischen Staatspräsidenten Erdogan geben wird, dies sagte Bieber kürzlich dem „Spiegel“. Mit seinem Erdogan-Gedicht hatte Böhmermann eine diplomatische Krise und einen Gerichtsprozess ausge- löst. „Die Ausstellung wird an die Grenzen gehen“, sagt Alain Bieber. „Wir werden die Freiheit der Kunst und Satire ausloten.“Proteste einkalkuliert. Viele Exponate seien vorab von Anwälten begutachtet worden. „Auch wenn Merkel Sturm läuft, wir werden nichts abhängen oder verändern“, sagt Bieber.
Die Sicherheitsvorkehrungen seien „so hoch wie nie“, sagt der Direktor des NRW-Forums. Wenn Böhmermann persönlich im Haus ist, werde man Taschenkontrollen durchführen. Für das sonst als besonders zugänglich und nachsichtig geltende NRW-Forum ist das ein Novum. „Wir haben ein Auge auf die Veranstaltung“, heißt es von der Düsseldorfer Polizei zur nahenden Ausstellung. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft sieht der Schau gelassen entgegen. Aus eigenem Antrieb werde man sich ganz sicher nicht mit der Ausstellung beschäftigen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Dazu besteht kein Anlass. Dann müssten wir ja jede Satire überwachen.“
Mustafa Kaplan, der Kölner Anwalt, der Recep Tayyip Erdogan im Streit ums Schmähgedicht vertritt, zeigt jedenfalls wenig Interesse an einer neuerlichen Auseinandersetzung. „Es ist halt Herr Böhmermann“, sagt er lediglich.
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