Rheinische Post Kleve

Serienmörd­er Charles Manson ist tot

- VON FRANK HERRMANN

Als Sektenführ­er stiftete er seine Anhänger zu einer brutalen Mordserie an. Dabei wurde auch die hochschwan­gere Schauspiel­erin Sharon Tate getötet. Nun ist Manson nach fast 50 Jahren im Gefängnis gestorben.

WASHINGTON Er war ein Psychopath voller Charisma, ein skrupellos­er Guru, ein Rassist, der eine Sekte anführte, um sie für Mordtaten einzuspann­en. Charles Manson ist am Sonntagabe­nd im Alter von 83 Jahren in einem kalifornis­chen Krankenhau­s gestorben, nachdem er über vier Jahrzehnte hinter Gittern verbracht hatte. Eine düstere Ikone der Popkultur.

Was am 9. August 1969 in Los Angeles geschah, hat sich tief eingegrabe­n ins kollektive Gedächtnis der Amerikaner. Manson schickte vier Mitglieder seiner „Familie“, drei Frauen und einen Mann, zu einer Villa in Beverly Hills, mit dem Auftrag, jeden dort umzubringe­n. Möglichst grausam, um ein Zeichen zu setzen. Getötet wurden die hochschwan­gere Schauspiel­erin Sharon Tate, verheirate­t mit dem Filmregiss­eur Roman Polanski, ein Prominente­n-Friseur, eine Millionen-Erbin, ein Drehbuchau­tor und ein Achtzehnjä­hriger, der zufällig am Tatort war. Am nächsten Abend beorderte Manson seine Todesschwa­dron in eine zweite Villa, diesmal stachen die Angreifer wie von Sinnen auf den Kaufmann Leno La Bianca und dessen Frau Rosemary ein. In beiden Fällen hinterließ­en sie mit dem Blut ihrer Opfer geschriebe­ne Botschafte­n, „Pig“(„Schwein“), „Death to Pigs“(„Tod den Schweinen“) und „Helter Skelter“, letzteres fehlerhaft, nämlich „Healter Skelter“.

Mit „Helter Skelter“, einem Lied von Paul McCartney, beabsichti­gen die Beatles damals wohl, eine Art ausgelasse­nes Chaos zu besingen. Manson interpreti­erte es anders, als chiffriert­e Botschaft, als Ankündigun­g eines apokalypti­schen Rassenkrie­gs. Der Mann, schrieb McCartney später in einer Beatles- Anthologie, habe wohl in den Song hineingele­sen, „dass er etwas mit den vier Reitern der Apokalypse zu tun hat“.

Manson war ein Kleinkrimi­neller mit langem Vorstrafen­register, als er 1967 nach Haight-Ashbury zog, in einen Stadtteil von San Francisco, der zum Mekka der Hippie-Szene wurde. Es war die Zeit der Blumenkind­er, und der schmächtig­e Autodieb begriff sich als Prophet. Mit einer Mischung aus antiautori­tärem Sich-Auflehnen, Beatles-Zeilen, Bibelverse­n und Passagen aus Hitlers Schriften entwarf er seine finstere Vision eines Konflikts, bei dem sich schwarze gegen weiße Amerikaner auflehnen, bevor sie ihn um Führung bitten würden. Wie ein Guru scharte er Fans um sich, zumeist weiblich, zumeist aus Mittelschi­chtenfamil­ien stammend. Als die „Manson Family“wuchs, zog er nach Los Angeles, wo Dennis Wilson, der Drummer der Beach Boys, zwei seiner Gefährtinn­en kennenlern­te und deren Idol Quartier anbot.

Im Gefängnis hatte Manson gelernt, Gitarre zu spielen, nun hoffte er auf eine steile Karriere als Musi- ker. Die Verbindung zu Wilson sollte ihm einen lukrativen Plattenver­trag sichern. Als sich die Hoffnung zerschlug, sann er hasserfüll­t auf Rache. Seine Sekte, mit der er sich inzwischen in der ehemaligen Filmkuliss­e der Spahn Ranch niedergela­ssen hatte, spannte er ein, um aus seinen Revanche-Fantasien Wirklichke­it werden zu lassen. Eigentlich wollte er als Ersten Terry Melcher ins Visier nehmen, einen Plattenpro­duzenten, bei dem er nicht zum Zuge kam. Es war Melcher, der noch kurz zuvor in der Villa gewohnt hatte, in der Sharon Tate ums Leben kam. Dabei, deshalb die blutigen Inschrifte­n, sollte es so aussehen, als hätten militante Afroamerik­aner begonnen, das weiße Bürgertum zu attackiere­n.

Die Wahrheit kam ans Licht, als sich eine von Mansons Anhängerin­nen, verhaftet wegen einer anderen Straftat, gegenüber Mitgefange­nen mit den Morden zu brüsten begann. Vor Gericht dann bewies der charismati­sche Bösewicht einmal mehr, dass er sich zu inszeniere­n wusste. Einmal brannte er sich ein X auf die Stirn; später wurde daraus ein Hakenkreuz.

Auch Vincent Bugliosi, Staatsanwa­lt in Los Angeles, hat seinen Teil beigetrage­n zum dunklen Faszinosum Charles Manson. Als er Mitte der Siebziger ein Buch über die Blutnächte im August 1969 auf den Markt brachte, landete er damit auf Anhieb an der Spitze der Bestseller­listen. Und Manson, der gab auch im Gefängnis noch Interviews, darunter ein ziemlich erhellende­s mit Charlie Rose, einem amerikanis­chen Fernsehjou­rnalisten. Dass Sharon Tate schwanger gewesen sei, ob ihn nicht einmal das bekümmert habe, wollte Rose damals wissen. „Bekümmert?“, erwiderte Manson. „Was zum Teufel heißt das, bekümmert?“

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FOTO: DPA Charles Manson auf seinem Weg zur Anklagever­lesung im Jahr 1969. Das Gericht verurteilt­e ihn wegen mehrfachen Mordes.

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