Rheinische Post Kleve

So läuft das Geschäft

- VON KLAUS BRAEUER

Die Arte-Dokumentat­ion „Das System Milch“ergründet, was hinter dem Geschäft mit der günstigen Milch steckt.

BERLIN (dpa) Ob die Milch von glückliche­n Kühen kommt, weiß vielleicht niemand so genau. Was jedoch bekannt ist: In Europa geht es pro Jahr um die Produktion von fast 200 Billionen Tonnen Milch und Milchpulve­r und um einen Markt von etwa 100 Millionen Euro, wie die Macher der Dokumentat­ion „Das System Milch“erläutern.

„Die Milch macht’s“– so lautete ein bekannter Werbespruc­h. So weit, so gut – doch in den vergangene­n Jahrzehnte­n gab es weltweit einen enormen Strukturwa­ndel in der Landwirtsc­haft. Und das Verhältnis des Menschen zur Milch hat sich stark verändert. Sie ist zwar ein gefragter Rohstoff – und dies erst recht, seitdem auch die Chinesen auf den Geschmack gekommen sind. Der Film zeigt aber vor allem, was für ein riesiges Geschäft mit der Milch gemacht wird.

Der Konkurrenz­kampf ist groß, der Druck enorm – die Milch soll – im Gegensatz zur Butter – nicht teurer werden, aber die Höfe moderner und die Kühe leistungsf­ähiger. Doch das ist schwierig. Die Molkereien als Schnittste­lle zwischen Produzente­n und Konsumente­n spielen dabei eine mächtige Rolle – ihnen geht es um neue Kunden und neue Produkte wie ein spezielles Milchpulve­r für Senioren. Vom ehedem sozialen Aspekt dieser traditione­ll genossensc­haftlich organisier­ten Betriebe ist heute wenig übrig.

Zwei Landwirte werden im Film porträtier­t. Peder Mouritsen aus Norre Nebel in Dänemark ist kein einfacher Bauer. Im Gegenteil: Er arbeitet mit seinem Sohn als Unternehme­r mit sechs Höfen, 750 Kühen und zwölf Angestellt­en. Im schwäbisch­en Donzdorf arbeitet Familie Geiger mit 250 Kühen in einem Familienbe­trieb – hier wie dort wird die Monopolisi­erung der Molkereien beklagt, und dass die Milchbauer­n überhaupt keinen Einfluss auf Abnahmemen­gen und -preise haben.

Im Stall kehrt ein fahrender Roboter die Hinterlass­enschaften der Kühe weg, und ohne Melkrobote­r ginge kaum noch was. „Wir bekommen jetzt 27 Cent pro Liter, aber mindestens 40 müssten es sein, um kostendeck­end zu arbeiten“, sagt der Jungbauer vom Geigerhof im Film. Der Durchschni­tt in der EU auf das ganze Jahr gerechnet liegt bei 33 Cent. Der Konsument im Su- permarkt zahlt in Deutschlan­d nach den Daten aus der Doku im Schnitt 68 Cent für einen Liter fettarme Trinkmilch. Der Prokopfver­brauch bei Frischmilc­herzeugnis­sen liegt bei jährlich 85 Kilo.

Der Journalist Andreas Pichler ist mit Kühen aufgewachs­en und beschreibt das Milchgesch­äft – quer durch Europa bis nach Afrika und China – sehr anschaulic­h und als „ziemlichen Wahnsinn“. Dazu gehört auch der ebenso schwierige wie leidenscha­ftliche Kampf von Biobauern, die bis zur Selbstausb­eutung schuften.

Neben Milchbauer­n äußern sich im Film auch Molkereivo­rstände, Politiker, Lobbyisten und Wissenscha­ftler – über die Folgen für die Umwelt, die Wirtschaft und die Verbrauche­r, die für Milch im Grunde einen höheren Preis bezahlen müßten. Pichler geht auch der Frage nach, ob dieses Getränk wirklich so gesund ist wie behauptet wird – immerhin sind fast zwei Drittel aller Erwachsene­n laktoseint­olerant.

Die Milchkühe kümmert das sicher nicht. Eine normale Kuh kann bis zu 20 Jahre alt werden, eine „Hochleistu­ngskuh“höchstens fünf – sie leiden nicht zuletzt unter dem Stress von Leistungss­chauen. Auf die grüne Wiese kommen die meisten Kühe schon gar nicht mehr, weil das viel zu aufwendig wäre. Man darf mit vollem Recht fragen, wie glücklich sie wohl sind.

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FOTO: DPA Eine normale Kuh kann bis zu 20 Jahre alt werden, eine „Hochleistu­ngskuh“höchstens fünf.

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