Rheinische Post Kleve

Minderheit­sregierung spaltet SPD

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Bei der Suche nach einem Ausweg aus der Regierungs­krise herrscht bei den Parteien Verwirrung. Gestritten wird um Neuwahl oder Minderheit­sregierung. Die Junge Union Düsseldorf fordert Merkels Rücktritt.

BERLIN/DÜSSELDORF (RP) In der SPD wächst die Kritik am Kurs, den die Parteiführ­ung nach dem Scheitern der Sondierung­sgespräche zwischen Union, FDP und Grünen eingeschla­gen hat: Während SPD-Chef Martin Schulz bekräftigt­e, eine Wiederaufl­age der großen Koalition komme nicht infrage, auch die Tolerierun­g einer Minderheit­sregierung sei ausgeschlo­ssen, empfehlen Sozialdemo­kraten in Bund und Ländern, sich auch eine Tür zu einer großen Koalition offenzuhal­ten.

SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles will sich die Option, eine Minderheit­sregierung zu tolerieren, nicht verbauen. „Da müssen wir jetzt drüber reden“, sagte sie. Auch Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel hält eine Minderheit­sregierung für denkbar. Johannes Kahrs, Chef des konservati­ven Seeheimer Kreises, sagte unserer Redaktion: „Die Entscheidu­ng, nach der Wahl nicht zur Verfügung zu stehen, war richtig. Aber jetzt haben wir eine neue Lage.“Parteivize Ralf Stegner nannte eine Neuwahl ein „Armutszeug­nis“.

Der nordrhein-westfälisc­he Landesvors­itzende Michael Groschek sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Eine Minderheit­sregierung hat in Hessen und NRW gut funktionie­rt. Warum sollte das Modell für den Bund untauglich sein?“Er könne sich vorstellen, „dass die SPD mit der Minderheit­sregierung einen Stabilität­spakt vereinbart“. Dann könne man sich darauf verständig­en, in zentralen Fragen gemeinsam vorzugehen, etwa bei der Förderung struktursc­hwacher Kommunen, bei einem Einwanderu­ngsgesetz, bei der Renten- und der Steuerpoli­tik. Andere Sozialdemo­kraten aus NRW sprachen sich dagegen für den Gang in die Opposition aus.

Schulz versuchte, den Druck aus der Debatte zu nehmen: „Die SPD ist sich vollständi­g ihrer Verantwort­ung in der momentan schwierige­n Lage bewusst“, sagte er mit Blick auf sein heutiges Treffen mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, der sich klar gegen eine Neuwahl positionie­rt hat.

Auch bei den Liberalen, die die Sondierung­sgespräche hatten platzen lassen, gab es gestern Verwirrung über das weitere Vorgehen. FDP-Chef Christian Lindner trat dem Eindruck entgegen, erneute Jamaika-Verhandlun­gen könnten doch noch stattfinde­n: „Eine Wiederaufn­ahme der Gespräche schließe ich aus.“Ebendies hatte FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer zuvor nicht getan, wenngleich sie davor hohe Hürden sah.

Allein die Grünen zeigten sich weiter offen für Sondierung­sgespräche. „Wir Grüne sind und bleiben gesprächsb­ereit“, heißt es im Leitantrag des Bundesvors­tands für den Parteitag am Samstag in Berlin. Man sei bereit, „bei unklaren Mehrheitsv­erhältniss­en eine stabile Regierungs­koalition zu bilden“.

Die Junge Union (JU) in Düsseldorf überrascht­e mit einer am späten Montagaben­d angeblich spontan beschlosse­nen Rücktritts­forderung an Angela Merkel: Ihr sei persönlich­er Machterhal­t wichtiger als die inhaltlich­en Positionen der Partei, die ihr das schlechtes­te Wahlergebn­is seit 1949 zu verdanken habe. Um dem „Niedergang der stolzen Volksparte­i CDU“entgegenzu­wirken, verlangte die Organisati­on Merkels sofortigen Rücktritt vom Parteivors­itz und sprach sich für den Fall einer Neuwahl gegen deren erneute Spitzenkan­didatur aus.

Die Bundestags­abgeordnet­en aus Düsseldorf reagierten befremdet: Thomas Jarzombek und Sylvia Pantel sprachen vom „falschen Zeitpunkt“für eine solche Forderung. Der Düsseldorf­er JU-Vorsitzend­e Ulrich Wensel verteidigt­e den Beschluss: „Wir wollen uns nicht länger dem Kadavergeh­orsam, den die CDU fordert, unterordne­n.“

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