Rheinische Post Kleve

Die SPD muss umdenken

- VON EVA QUADBECK VON MAXIMILIAN PLÜCK VERTUSCHUN­GSSKANDAL . . ., SEITE B 3 VON RUDOLF GRUBER LEBENSLANG FÜR DEN SCHLÄCHTER . . ., SEITE A 5

Martin Schulz und Andrea Nahles haben die Sozialdemo­kraten in ein strategisc­hes Dilemma manövriert. Ihr kategorisc­hes Nein zu einer Regierungs­bildung fällt ihnen nun zentnersch­wer auf die Füße. Es ist Zeit zum Umdenken. Eine erneute große Koalition wäre besser als eine Neuwahl – für Deutschlan­d, für Europa und auch für die SPD. Was will sie denn bei einem erneuten Urnengang gewinnen? Mit welchem Programm? Mit welchem Kandidaten? Vor allem: mit welcher Machtoptio­n? Die SPD kann sich doch nicht einer großen Koalition verweigern und dann in einen Wahlkampf ziehen, in dem eben dieses Bündnis ihre eigentlich­e Möglichkei­t wäre, ihre Wahlverspr­echen umzusetzen. Da die Jamaika-Sondierung­en gescheiter­t sind, können die Sozialdemo­kraten ihr Vorhaben, in einen vierjährig­en Erneuerung­sprozess zu gehen, nicht umsetzen – unabhängig davon, ob es zu einer großen Koalition oder zur Neuwahl kommt.

Die SPD sollte zu ihrem alten Grundsatz „Erst das Land, dann die Partei“zurückkehr­en. Aus dieser Haltung heraus ist sie groß geworden. Daraus speisen sich ihre früheren Erfolge. Auf dem Umkehrschl­uss liegt kein Segen. Eine Neuwahl wird die SPD nicht von der Stelle bringen. BERICHT MINDERHEIT­SREGIERUNG SPALTET SPD, TITELSEITE

Uber verspielt Vertrauen

Meldungen von Hackerangr­iffen gehören längst zum Alltag. Die Anzeigetaf­eln der Bahn hat es schon erwischt. Auch Krankenhäu­ser in der Region, Kreditkart­enfirmen, Apple, Yahoo und Sony wurden Opfer von Computer-Kriminelle­n.

Der jüngste Fall beim Fahrdienst­vermittler Uber hat jedoch eine andere Qualität. Das liegt vor allem an Uber selbst. Für den ohnehin in der Kritik stehenden US-Konzern war allein der Angriff schon eine mittlere Katastroph­e. Das Krisenmana­gement macht die Vorgänge aber zum GAU.

Uber hat es nicht für nötig befunden, seine Kunden, die eigenen Fahrer und die Ermittlung­sbehörden über den Datenklau zu informiere­n. Stattdesse­n hat sich das Unternehme­n von den Hackern erpressen lassen. So verspielt Uber dringend benötigtes Vertrauen, das durch den Sexismus-Skandal eh schon arg gelitten hat. Eine gefährlich­e Situation für ein Unternehme­n, das es immer noch nicht geschafft hat, Gewinne zu machen. Sollten sich die Geldgeber abwenden, dürfte es für Uber eng werden. BERICHT

Kein Interesse am Balkan

Mit dem Urteil gegen Ratko Mladic ging der letzte Kriegsverb­recherproz­ess vor dem UN-Tribunal in Den Haag zu Ende. Die Bilanz fällt zwiespälti­g aus. Jedoch geht die oft gehörte Kritik, die Verfahren hätten nichts zur Versöhnung der verfeindet­en Völker beigetrage­n, daneben: Das Gericht war für Aufklärung von Kriegsverb­rechen und Rechtsprec­hung zuständig, nicht für Versöhnung­spolitik. Ohne dieses Tribunal wären Männer wie Radovan Karadzic oder Ratko Mladic, die für die schlimmste­n Kriegsverb­rechen in Europa seit 1945 verantwort­lich sind, sowie Dutzende ihrer Gefolgsleu­te nie vor Gericht gekommen. Ohne dieses Gericht wäre der gewaltsame Tod von 100.000 Menschen ungesühnt geblieben. Ob dies zur Versöhnung beigetrage­n hätte, darf stark bezweifelt werden.

Das Fazit bleibt indes frustriere­nd: Bei der Aussöhnung sind die ex-jugoslawis­chen Staaten 22 Jahre nach Kriegsende kaum weitergeko­mmen. Die westlichen Mächte trifft dabei keine geringe Mitschuld: Ihr abgeflaute­s Interesse am Balkan steht im krassen Gegensatz zu dessen geopolitis­cher Brisanz für Europa. BERICHT

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