Die SPD muss umdenken
Martin Schulz und Andrea Nahles haben die Sozialdemokraten in ein strategisches Dilemma manövriert. Ihr kategorisches Nein zu einer Regierungsbildung fällt ihnen nun zentnerschwer auf die Füße. Es ist Zeit zum Umdenken. Eine erneute große Koalition wäre besser als eine Neuwahl – für Deutschland, für Europa und auch für die SPD. Was will sie denn bei einem erneuten Urnengang gewinnen? Mit welchem Programm? Mit welchem Kandidaten? Vor allem: mit welcher Machtoption? Die SPD kann sich doch nicht einer großen Koalition verweigern und dann in einen Wahlkampf ziehen, in dem eben dieses Bündnis ihre eigentliche Möglichkeit wäre, ihre Wahlversprechen umzusetzen. Da die Jamaika-Sondierungen gescheitert sind, können die Sozialdemokraten ihr Vorhaben, in einen vierjährigen Erneuerungsprozess zu gehen, nicht umsetzen – unabhängig davon, ob es zu einer großen Koalition oder zur Neuwahl kommt.
Die SPD sollte zu ihrem alten Grundsatz „Erst das Land, dann die Partei“zurückkehren. Aus dieser Haltung heraus ist sie groß geworden. Daraus speisen sich ihre früheren Erfolge. Auf dem Umkehrschluss liegt kein Segen. Eine Neuwahl wird die SPD nicht von der Stelle bringen. BERICHT MINDERHEITSREGIERUNG SPALTET SPD, TITELSEITE
Uber verspielt Vertrauen
Meldungen von Hackerangriffen gehören längst zum Alltag. Die Anzeigetafeln der Bahn hat es schon erwischt. Auch Krankenhäuser in der Region, Kreditkartenfirmen, Apple, Yahoo und Sony wurden Opfer von Computer-Kriminellen.
Der jüngste Fall beim Fahrdienstvermittler Uber hat jedoch eine andere Qualität. Das liegt vor allem an Uber selbst. Für den ohnehin in der Kritik stehenden US-Konzern war allein der Angriff schon eine mittlere Katastrophe. Das Krisenmanagement macht die Vorgänge aber zum GAU.
Uber hat es nicht für nötig befunden, seine Kunden, die eigenen Fahrer und die Ermittlungsbehörden über den Datenklau zu informieren. Stattdessen hat sich das Unternehmen von den Hackern erpressen lassen. So verspielt Uber dringend benötigtes Vertrauen, das durch den Sexismus-Skandal eh schon arg gelitten hat. Eine gefährliche Situation für ein Unternehmen, das es immer noch nicht geschafft hat, Gewinne zu machen. Sollten sich die Geldgeber abwenden, dürfte es für Uber eng werden. BERICHT
Kein Interesse am Balkan
Mit dem Urteil gegen Ratko Mladic ging der letzte Kriegsverbrecherprozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag zu Ende. Die Bilanz fällt zwiespältig aus. Jedoch geht die oft gehörte Kritik, die Verfahren hätten nichts zur Versöhnung der verfeindeten Völker beigetragen, daneben: Das Gericht war für Aufklärung von Kriegsverbrechen und Rechtsprechung zuständig, nicht für Versöhnungspolitik. Ohne dieses Tribunal wären Männer wie Radovan Karadzic oder Ratko Mladic, die für die schlimmsten Kriegsverbrechen in Europa seit 1945 verantwortlich sind, sowie Dutzende ihrer Gefolgsleute nie vor Gericht gekommen. Ohne dieses Gericht wäre der gewaltsame Tod von 100.000 Menschen ungesühnt geblieben. Ob dies zur Versöhnung beigetragen hätte, darf stark bezweifelt werden.
Das Fazit bleibt indes frustrierend: Bei der Aussöhnung sind die ex-jugoslawischen Staaten 22 Jahre nach Kriegsende kaum weitergekommen. Die westlichen Mächte trifft dabei keine geringe Mitschuld: Ihr abgeflautes Interesse am Balkan steht im krassen Gegensatz zu dessen geopolitischer Brisanz für Europa. BERICHT