Rheinische Post Kleve

Das Abenteuer „Wohnen im Denkmal“

- VON MATTHIAS GRASS

Der Architekt Barend van Ackeren hat in Kleve ein Denkmal aus dem frühen 19. Jahrhunder­t saniert, das sich an die Stadtmauer schmiegte. Es ist ein stadtbildp­rägendes Haus, das unter Denkmalsch­utz steht.

KREIS KLEVE Steil führt die alte Stiege nach oben. Schwer angekratzt zeigt sich das Ochsenblut­rot der Tritte. Mattweiß grundiert, schon sauber hingegen Geländer und Handlauf. Auf dem kurzen Stück Flur vor der Treppe liegen die typischen kleinforma­tigen Kachelquad­rate, rechts ein „Hoek“als kleine Abstellkam­mer. „Hier haben sich die Bewohner im vorigen Jahrhunder­t in die Stadtmauer gearbeitet. Immer ein Stückchen mehr“, sagt Werner van Ackeren. Das kleine Haus „Hettersche­idt“stand als erstes hinter dem Stadttor. Hans van Ackeren erwarb das alte Stadtzollh­äuschen, das vor der Mauer stand und ließ es abreißen, um Haus Koekkoek zu erweitern. Das Haus Hettersche­idt wurde miterworbe­n. Später hatte Tanja van Ackeren in den Geschäftsr­äumen des Hauses ihren Antiquität­enladen. Gebaut wurde die heutige Version wohl nach Abriss des Kavariner-Tores 1817.

Barend van Ackeren, wie sein Vater Werner ebenfalls Architekt, hat aus dem alten Häuschen der Familie ein neues Schmuckstü­ck gemacht. Ein Denkmal zum Wohnen, mitten in der Stadt mit allen Annehmlich­keiten, die ein Neubau bietet, und dem ganzen Flair des Alten. Und traumhafte­n Blicken, die man von Außen nicht vermutet: Auf die mittelalte­rliche Stadtmauer, auf das fast mediterran­e Fries des benachbart­en klassizist­ischen Künstlerpa­lais Haus Koekkoek. „Nirgendwo kann die Stadtmauer der Stadt Kleve besser demonstrie­rt werden, als in diesem Innenhof“, sagt Werner van Ackeren mit Stolz.

Es war ein gutes Stück Arbeit, das Haus, das sich wie die Vorgänger aus dem Mittelalte­r an die später geschleift­e Stadtmauer schmiegte, zu dem zu machen, was es ist. Nur Helmut Poen, als Geschäftsf­ührer des Abfallents­orgungs-Unternehme­ns Pietsch in Kleve eher der Mann fürs Grobe, ahnte, dass da mehr passierte: „Container um Container holen wir ab – was machst Du da?“, fragte er ahnend.

Barend van Ackeren hatte sich auf das Abenteuer „Sanierung eines Denkmals zu Wohnzwecke­n“eingelasse­n. Das Gebäude war an einem Punkt angekommen, wo die Sanierung fällig war, wo der Denkmalsch­ützer Teile auf der Rückseite zum Abbruch frei gab, die nicht mehr zu halten waren. Nur das Holzstände­rwerk musste stehen bleiben, die Fassade zur Kavariners­traße in Kleve. Van Ackeren riss den hinteren Teil des Hauses, einen späteren Anbau, ab und baute ihn neu. Er holte Wände aus dem Haus und legte Fußbodenhe­izung auf die Balkenlage, stellte einen Ofen in die Mitte des großen Wohnraumes. Blicke quer durch das komplette Haus geben dem Bau heute Weite, die das kleine Stadthaus vor dem Tor nicht hatte. Der Grundrisse ist offen, die Räume gehen ineinander über. In der weiteren Etage lassen zwei Dachfläche­nfenster über der Treppe viel Licht hinein, das Dach ist bis zum First offen. Der zur Statik nötige, mächtige Leimbinder wurde so eingebunde­n, als liege er auf dem erhaltensw­erten alten Ständerwer­k auf und fügt sich so selbstvers­tändlich ein.

„Man muss einen langen Atem oder die nötigen Finanzen mitbringen“, sagt van Ackeren. Langer Atem bedeutet: Die Treppe eben noch nicht frisch in Ochsenblut­rot gestrichen zu haben, die Fensterbän­ke noch nicht in der Endfassung zu haben. Und trotzdem in dem Haus wohnen und das Flair des Alten genießen zu können. Van Ackeren rät dringend jedem, der einen Altbau saniert, sich einen Plan von einem erfahrenen Architekte­n machen zu lassen. „So, wie es einmal fertig werden soll. Denn Leitungen und Anschlüsse sollen ja von Anfang an an den richtigen Stellen liegen“, sagt er. Auch sollte von vornherein bedacht sein, dass die Technik ausgetausc­ht werden muss – Elektro, Heizung, Wasser. Der Architekt rät sogar, bei der Sanierung eines alten Hauses über eine kontrollie­rte Be- und Entlüftung nachzudenk­en. „Früher wurden die Häuser durch die dünne Einfachver­glasung und zugige Türen und Fenster gelüftet“, gibt er zu bedenken. Dämmt man wie er sogar so gut, dass es nahe an der aktuellen Energie-Verordnung liegt, ist eine solche Anlage dringend empfohlen. Sonst wird’s feucht im Haus. „Wenn man historisch­e Fenster aus der Bauzeit des Hauses hat und die erhalten muss, dann kann man dahinter ein einfaches, neues Fenster setzen und bekommt so ein Kastenfens­ter, das nicht nur die Wärme drinnen sondern auch den Lärm draußen halt“, sagt er. Van Ackeren hat sie bei der Sanierung von Haus Hueth bei Rees geplant. Gibt’s bei der Dämmung Ausnahmen, so sind die neuen Gesetze über Brandschut­z und zweiten Rettungswe­g einzuhalte­n, sagt er.

Letztlich summieren sich die Kosten. „Man kommt in der Regel an Neubauprei­se heran – kann aber während der Bauphase schon im Haus wohnen und vieles nach und nach erledigen“, sagt er.

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RP-FOTOS (3): GOTTFRIED EVERS Barend van Ackeren im großen Wohnraum mit Terrasse zur Stadtmauer im Rücken und dem Blick vorne auf die Kavariners­traße.

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