Neuauflage der GroKo?
Niemals werde er in eine Regierung von Angela Merkel eintreten, hat Martin Schulz am Abend der Bundestagswahl gesagt. Im Fernsehen beschimpfte der SPD-Chef, der gerade eine historische Niederlage seiner Partei zu verantworten hatte, die Kanzlerin. Große Koalition? Nie im Leben! Nun muss Schulz – gedrängt von Partei und Fraktion – seine Meinung ändern. Die forschen Sprüche ihres Chefs sind den Genossen zuletzt ohnehin einen Tick zu endgültig ausgefallen. Es ist richtig, dass die SPD sich nun ihrer Verantwortung bewusst wird und Gespräche anbietet. Nur schade, dass erst der Bundespräsident seine Parteifreunde daran erinnern musste.
Es dürfte die sozialdemokratischste aller großen Koalitionen werden. Angela Merkel hat schon für die Grünen reihenweise Positionen geräumt, sie wird dies auch für die SPD tun. Die SPD ist ihre letzte Machtoption, wenn sie die Minderheitsregierung vermeiden will, die im Ausland zwar üblich sein mag, für Deutschland in Zeiten einer europäischen Identitätskrise und weltweiter Turbulenzen aber die schlechtere Option ist.
Zwei Gewinner stehen bei einer möglichen dritten großen Koalition in vier Legislaturperioden bereits fest. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dürfte mit seinen supranationalen EU-Vorschlägen und den neuen Geldtöpfen bei den Etatisten von Union und SPD auf Gegenliebe stoßen. Und auch der neue Finanzminister dürfte sich freuen, weil der Soli-Abbau, der bei den Jamaika-Sondierern bis zuletzt im Grundsatz Konsens war, bei Schwarz-Rot in Frage gestellt werden dürfte.
Für Christian Lindner muss das schmerzhaft sein. Genau das, wofür die FDP in den Verhandlungen eingetreten ist, würde von Union und SPD gar nicht erst umgesetzt. Die FDP mag ihre Argumente für den Abbruch der Verhandlungen gehabt haben. Wenn die große Koalition erst mal regiert, wird es für Liberale nicht gemütlicher werden. BERICHT SPD WILL BASIS ZU GROKO“BEFRAGEN, TITELSEITE
EU darf Osteuropa nicht Putin opfern
Erstmals haben sich die Staaten der EU mit sechs osteuropäischen Ländern zu einem Gipfel getroffen. Eine heikle Angelegenheit, weil Russland diese sechs ehemaligen Sowjetrepubliken im Grunde weiter als Satellitenstaaten sieht. Was passieren kann, wenn einer davon wagt, zu deutlich mit einem Heranrücken an die EU zu liebäugeln, musste die Ukraine erfahren: Wladimir Putin annektierte die Krim und schürte mit militärischer Unterstützung für pro-russische Rebellen im Osten der Ukraine einen Konflikt, der bis heute anhält und bereits 10.000 Tote gefordert hat. Diese Aggression ist unentschuldbar, auch wenn ausgerechnet in Deutschland gerne argumentiert wird, Russland sei schließlich provoziert worden. Als habe Russland das Recht, mit Gewalt über die politische Ausrichtung seiner Nachbarn zu bestimmen.
Was nicht heißt, dass die EU keine Fehler gemacht hat. Man hätte schon früher viel stärker betonen müssen, dass sich die früheren Sowjetrepubliken nicht zwischen guten Beziehungen zur EU und guten Beziehungen zu Russland zu entscheiden haben. So ist es gut, dass dieser Punkt gestern ausdrücklich hervorgehoben wurde. Natürlich ist das auch eine Geste in Richtung Moskau, vor allem aber geht es um Ehrlichkeit: Die Ukraine, Moldau oder Georgien haben keine unmittelbare EU-Beitrittsperspektive. Man sollte diesen Ländern daher auch keine unhaltbaren Versprechungen machen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Partnerschaft mit ihnen unterhalb der Schwelle einer EU-Mitgliedschaft so weit wie möglich auszubauen. Viele Menschen dort haben für ihren Traum von westlicher Demokratie hohe Opfer gebracht. Wenn sie nun den Eindruck erhalten, aus Rücksicht auf den russischen Bären von der EU abgewiesen zu werden, wäre das ein fatales Signal. BERICHT