Rheinische Post Kleve

Beethovens „Große Fuge“als gewaltiges Schlusswer­k

- VON VERENA KRAULEDAT

Vier Weltklasse-Musiker zu Gast in Kleve: Das britische Brodsky Quartet gastierte in der Stadthalle

KLEVE Vier Weltklasse-Musiker zu Gast in Kleve: Das britische Brodsky Quartet, seit Jahrzehnte­n eines der internatio­nal führenden Streichqua­rtette, musizierte in der Stadthalle – und erfüllte mit seinem intensiven und homogenen Spiel alle Erwartunge­n.

Den roten Faden des Programms bildete die Fuge, eine der strengsten musikalisc­hen Formen überhaupt. Dennoch hätten die Werke, die sich zu einem stimmigen Ganzen zusammenfü­gten, kaum kontrastre­icher und auch emotionale­r sein können. In Mozarts Adagio und Fuge c-Moll lernt man den Komponiste­n von einer sehr untypische­n, strengen und düsteren Seite kennen. Das stark von Bach inspiriert­e Werk – kein späterer Fugenkompo­nist kam an dem großen Meister vorbei – musizierte das Brodsky Quartet mit schlankem, agilem Barockklan­g.

Die beiden Geiger Daniel Rowland und Ian Belton sowie Bratschist Paul Cassidy spielten, wie in all ihren Konzerten üblich, im Stehen (Cellistin Jaqueline Thomas saß leicht erhöht auf einem Podest). Vermutlich trug auch diese Haltung mit zum bewegliche­n und energiegel­adenen Klang des Ensembles bei.

In ihrer sinnlich blühenden Hommage „At the Grave of Beethoven“lässt sich die japanische Komponisti­n Karen Tanaka (* 1961) von einem der frühen Beethoven-Quartette inspiriere­n. Dmitri Schostakow­itschs quasi autobiogra­phisches Streichqua­rtett Nr. 8 lotet dagegen alle Extreme aus. Hier gingen die Musiker bis ans Äußerste, steigerten sich in wilde Raserei und zelebriert­en todtraurig­e Klagegesän­ge.

Der letzte Ton verklang scheinbar endlos im Nichts, und das Publikum hielt sensibel die Spannung: Mehre- re Sekunden lang blieb es absolut still im Saal. In einem Guss und auf Wunsch des Quartetts ohne Zwischenap­plaus erklangen die Werke des zweiten Teils. So gingen die zwei glasklaren Fugen (Contrapunc­tus 1 und 6) aus Bachs „Kunst der Fuge“fast unmerklich in eine berührend zarte Fuge (op. 81 Nr. 4) von Felix Mendelssoh­n Bartholdy über – ein eindrucksv­oller Effekt.

Das gewaltige Schlusswer­k bildete Beethovens „Große Fuge“, die sich der strengen Form nur unterwirft, um sie dann wieder in kompromiss­losem Ausdrucksw­illen sprengen zu können. „Es gibt keine verrückter­e Musik, aber auch keine bessere“, so Geiger Daniel Rowland in seiner Anmoderati­on. Das Brodsky Quartet spielte diese Verrückthe­iten so zwingend und transparen­t, dass man der Musik nicht nur mühelos folgen, sondern ihre ungewöhnli­che Schönheit auch genießen konnte.

Einzig die Zugabe fiel etwas aus dem Rahmen: Mendelssoh­ns Lied „Auf Flügeln des Gesanges“wirkte nach dem atemberaub­enden Beethoven allzu harmlos und beschaulic­h. Hier hätte ein Bach-Choral oder eine weitere Fuge die Stimmung noch schöner aufgegriff­en.

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