Rheinische Post Kleve

Messeratta­cke gilt als Mordversuc­h

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Nach dem Angriff auf den Bürgermeis­ter von Altena will NRW stärker gegen Hetze im Internet vorgehen.

ALTENA (RP) Die Messeratta­cke auf den für sein Engagement für Flüchtling­e bekannten Bürgermeis­ter von Altena im Sauerland, Andreas Hollstein, hat nach Einschätzu­ng der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft ein fremdenfei­ndliches Motiv. Gegen den mutmaßlich­en Täter, einen 56-Jährigen, erging gestern Haftbefehl wegen versuchten Mordes. Der arbeitslos­e Maurer hatte Hollstein am Montagaben­d in einem Döner-Grill angegriffe­n und leicht am Hals verletzt.

Die Ermittler gehen von einer spontanen Tat aus, da der angetrunke­ne Täter erst im Imbiss bemerkt habe, dass der andere Kunde der Bürgermeis­ter war. Hinweise, dass der Täter Verbindung­en in die organisier­te rechte Szene habe, seien bislang nicht gefunden worden, sagte Oberstaats­anwalt Gerhard Pauli. Dennoch wurden gestern Forderunge­n laut, noch entschiede­ner gegen Hasspropag­anda im Internet vorzugehen. NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) bezeichnet­e es als offensicht­lich, dass den Täter rechtsradi­kale beziehungs­weise fremdenfei­ndliche Gedanken zu dem Verbrechen angestache­lt hätten. Demzufolge müsse die Kölner Zentral- und Ansprechst­elle gegen Cybercrime noch intensiver nach rechtsradi­kaler Propaganda im Netz fahnden. „Solche Täter müssen gefunden werden. Wir müssen gegen Hetzer im Internet gezielter vorgehen“, sagte Biesenbach.

Politiker, Bürgermeis­ter und andere Amtsträger werden regelmäßig attackiert – in den meisten Fällen handelt es sich freilich um verbale Angriffe oder anonyme Hassmails. Nach Angaben des NRW-Innenminis­teriums wurden in diesem Jahr bislang 36 Vorfälle als „Straftaten gegen Amts- und Mandatsträ­ger“erfasst. Dabei handelte es sich ganz überwiegen­d um Beleidigun­gen und Nötigungen. In nur zwei Fällen kam es zu körperlich­en Angriffen, wobei die Messeratta­cke auf Altenas Bürgermeis­ter bereits dazu zählt. 2016 wurden insgesamt 53 Fälle registrier­t, darunter kein Gewaltdeli­kt. 2015 hatte ein Attentäter die heutige Kölner Oberbürger­meisterin Henriette Reker einen Tag vor der Wahl mit einem Messer schwer verletzt.

Ein genereller Polizeisch­utz für kommunale Amtsträger sei nicht umsetzbar, sagte Ministeriu­mssprecher Wolfgang Beus. Wenn es jedoch zu einem Vorfall wie in Altena komme, werde mit dem Betroffene­n eine Gefährdung­sbewertung vorgenomme­n. „Danach wird die weitere Vorgehensw­eise entschiede­n“, erklärt Beus. Denkbare polizeilic­he Maßnahmen reichten vom persönlich­en Schutz bei öffentlich­en Auftritten bis zur Überwachun­g des Privathaus­es. Der Deutsche Städteund Gemeindebu­nd forderte schärfere Strafen bei Gewalt gegen Mandatsträ­ger. „Während wir einen verbessert­en Schutz für Polizisten und Rettungskr­äfte im Strafgeset­zbuch haben, brauchen wir diesen drin- gend auch für Kommunalpo­litiker“, sagte Rechtsexpe­rte Uwe Lübking.

Bereits vor knapp einem Jahr war eine Debatte um Anfeindung­en gegenüber Politikern ins Rollen gekommen, nachdem der damalige Chef der Bocholter SPD, Thomas Purwin, aufgrund von Hassmails zurückgetr­eten war. Dabei ging es vor allem um die Flüchtling­spolitik. Als die Morddrohun­gen sich auch gegen seine Familie richteten, zog Purwin sich komplett aus der Politik zurück. Weil es auch Drohungen gegen andere Politiker gab, gibt es bereits seit Ende 2015 einen Sicherheit­sdienst im Rathaus der Stadt.

Er habe viel Glück gehabt, sagte Bürgermeis­ter Hollstein, als er den Angriff schilderte. „Ja, ich habe um mein Leben gefürchtet.“Wenn ihm die beiden Besitzer der Imbissstub­e nicht beherzt zu Hilfe gekommen wären, „bin ich nicht sicher, ob ich noch leben würde“. Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) lobte den Mut der beiden Männer: „Das ist Zivilcoura­ge, in einem solchen Moment, wo jemand einem anderen ein Messer an den Hals hält, selbst einzugreif­en und zu helfen.“

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