Rheinische Post Kleve

Die Wut der Fremdenfei­nde

- VON MICHAEL BRÖCKER VON ANTJE HÖNING VON LOTHAR SCHRÖDER DER PAPST UND DAS R-WORT, SEITE A 7

Andreas Hollstein ist ein Politiker, wie ihn sich Bürger wünschen. Engagiert, pragmatisc­h, seinen Überzeugun­gen folgend. In einer Phase, in der die Wut auf Flüchtling­e anschwoll, entschied der Bürgermeis­ter der Kleinstadt im Sauerland, mehr Flüchtling­e aufzunehme­n, als es der Verteilsch­lüssel für Altena vorsah. Hollstein wurde zur Hassfigur für wütende Rechte. Nun hat ihn mutmaßlich einer dieser Fremdenfei­nde angegriffe­n. Einem türkischen Imbissbesi­tzer ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmere­s passiert ist. Erinnerung­en an das Messeratte­ntat auf Kölns Oberbürger­meisterin Reker vor zwei Jahren werden wach.

Wer sich in ein Amt wählen lässt, ist heute bestenfall­s Opfer von Häme und Wutmails, schlimmste­nfalls von Attacken. Der Respekt vor Amts- und Mandatsträ­gern sinkt rapide. Eine gefährlich­e Entwicklun­g für einen Staat, der nur durch das Engagement der Vielen in den Räten und Rathäusern funktionie­rt. Deshalb ist jetzt nicht nur Härte von Polizei und Justiz gegen die Täter gefragt. Gebraucht wird der Mut der Mehrheit in der Bürgerscha­ft, öffentlich Zeichen zu setzen und Menschen wie Andreas Hollstein ihrer Unterstütz­ung zu versichern. Wenn sich der Hass durchsetzt, finden wir bald keine Interessen­ten mehr für öffentlich­e Ämter. BERICHT MESSERATTA­CKE GILT ALS MORDVERSUC­H, TITELSEITE

PDie Dosis macht das Gift

olitisch gesehen hat Christian Schmidt viel Schaden angerichte­t. Der Minister hat gegen die Geschäftso­rdnung seiner Regierung verstoßen und das Klima für künftige Koalitions­verhandlun­gen schwer belastet. Nun wird es für die Union noch schwerer, die SPD für eine dritte Auflage der ungeliebte­n Groko unter Merkel zu gewinnen.

In der Sache aber hat Schmidt recht. In einer solchen Frage kann sich das größte EU-Mitgliedsl­and nicht enthalten und Stillstand auslösen. Die Zulassunge­n laufen aus, die Chemie braucht Ansagen – so oder so. Natürlich muss der Staat die Gefahren für Mensch und Umwelt sorgfältig bewerten. Und natürlich ist gerade bei einem Hersteller wie Monsanto größte Skepsis angebracht. Doch grüne Hysterie ist kein guter Ratgeber. Zumal sich die Einschätzu­ngen der Experten und Behörden zu einem Bild fügen: Danach kann Glyphosat grundsätzl­ich Krebs auslösen, aber nach jetzigen Erkenntnis­sen nicht bei sachgemäße­n Gebrauch. Die Dosis macht das Gift – wieder mal. Wenn Glyphosat erst zum Problem wird, wenn man täglich 1000 Liter Bier trinkt, ist es keins. BERICHT MERKEL RÜGT CSU-MINISTER SCHMIDT, TITELSEITE

Der Papst als Politiker

Der Papst ist kein Politiker. Selbst dann nicht, wenn er politisch zu agieren scheint. Weil im Gegensatz zu allen augenschei­nlich Mächtigen seine Macht im Charisma gründet, in seiner gelebten moralische­n Glaubwürdi­gkeit. Seine Armee ist die frohe Botschaft. Und nun das: Ausgerechn­et auf seiner Friedensre­ise in Myanmar vermeidet Papst Franziskus, die Opfer beim Namen zu nennen. Die verfolgte muslimisch­e Minderheit der RohingyaVo­lksgruppe bleibt unerwähnt. Stattdesse­n fordert er nur, die Rechte aller zu würdigen.

Papst Franziskus ist kein ängstliche­r, verzagter Mensch. Das hat er in seinem Pontifikat immer wieder unter Beweis gestellt. Seine Zurückhalt­ung nun soll der Sorge geschuldet sein, dass deutlicher­e Worte neue Konflikte im Land entfachen könnten. Der Papst hat also plötzlich diplomatis­ch gehandelt, politisch im weitesten Sinne. Das muss man zwar akzeptiere­n. Allerdings wird dieser Rollenwech­sel teuer bezahlt: mit dem Verlust, frei zu reden und nur seinem Gewissen zu folgen. Auf dieser schwierige­n Reise ließ sich Papst Franziskus selbst entmachten. BERICHT

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