Die Wut der Fremdenfeinde
Andreas Hollstein ist ein Politiker, wie ihn sich Bürger wünschen. Engagiert, pragmatisch, seinen Überzeugungen folgend. In einer Phase, in der die Wut auf Flüchtlinge anschwoll, entschied der Bürgermeister der Kleinstadt im Sauerland, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als es der Verteilschlüssel für Altena vorsah. Hollstein wurde zur Hassfigur für wütende Rechte. Nun hat ihn mutmaßlich einer dieser Fremdenfeinde angegriffen. Einem türkischen Imbissbesitzer ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Erinnerungen an das Messerattentat auf Kölns Oberbürgermeisterin Reker vor zwei Jahren werden wach.
Wer sich in ein Amt wählen lässt, ist heute bestenfalls Opfer von Häme und Wutmails, schlimmstenfalls von Attacken. Der Respekt vor Amts- und Mandatsträgern sinkt rapide. Eine gefährliche Entwicklung für einen Staat, der nur durch das Engagement der Vielen in den Räten und Rathäusern funktioniert. Deshalb ist jetzt nicht nur Härte von Polizei und Justiz gegen die Täter gefragt. Gebraucht wird der Mut der Mehrheit in der Bürgerschaft, öffentlich Zeichen zu setzen und Menschen wie Andreas Hollstein ihrer Unterstützung zu versichern. Wenn sich der Hass durchsetzt, finden wir bald keine Interessenten mehr für öffentliche Ämter. BERICHT MESSERATTACKE GILT ALS MORDVERSUCH, TITELSEITE
PDie Dosis macht das Gift
olitisch gesehen hat Christian Schmidt viel Schaden angerichtet. Der Minister hat gegen die Geschäftsordnung seiner Regierung verstoßen und das Klima für künftige Koalitionsverhandlungen schwer belastet. Nun wird es für die Union noch schwerer, die SPD für eine dritte Auflage der ungeliebten Groko unter Merkel zu gewinnen.
In der Sache aber hat Schmidt recht. In einer solchen Frage kann sich das größte EU-Mitgliedsland nicht enthalten und Stillstand auslösen. Die Zulassungen laufen aus, die Chemie braucht Ansagen – so oder so. Natürlich muss der Staat die Gefahren für Mensch und Umwelt sorgfältig bewerten. Und natürlich ist gerade bei einem Hersteller wie Monsanto größte Skepsis angebracht. Doch grüne Hysterie ist kein guter Ratgeber. Zumal sich die Einschätzungen der Experten und Behörden zu einem Bild fügen: Danach kann Glyphosat grundsätzlich Krebs auslösen, aber nach jetzigen Erkenntnissen nicht bei sachgemäßen Gebrauch. Die Dosis macht das Gift – wieder mal. Wenn Glyphosat erst zum Problem wird, wenn man täglich 1000 Liter Bier trinkt, ist es keins. BERICHT MERKEL RÜGT CSU-MINISTER SCHMIDT, TITELSEITE
Der Papst als Politiker
Der Papst ist kein Politiker. Selbst dann nicht, wenn er politisch zu agieren scheint. Weil im Gegensatz zu allen augenscheinlich Mächtigen seine Macht im Charisma gründet, in seiner gelebten moralischen Glaubwürdigkeit. Seine Armee ist die frohe Botschaft. Und nun das: Ausgerechnet auf seiner Friedensreise in Myanmar vermeidet Papst Franziskus, die Opfer beim Namen zu nennen. Die verfolgte muslimische Minderheit der RohingyaVolksgruppe bleibt unerwähnt. Stattdessen fordert er nur, die Rechte aller zu würdigen.
Papst Franziskus ist kein ängstlicher, verzagter Mensch. Das hat er in seinem Pontifikat immer wieder unter Beweis gestellt. Seine Zurückhaltung nun soll der Sorge geschuldet sein, dass deutlichere Worte neue Konflikte im Land entfachen könnten. Der Papst hat also plötzlich diplomatisch gehandelt, politisch im weitesten Sinne. Das muss man zwar akzeptieren. Allerdings wird dieser Rollenwechsel teuer bezahlt: mit dem Verlust, frei zu reden und nur seinem Gewissen zu folgen. Auf dieser schwierigen Reise ließ sich Papst Franziskus selbst entmachten. BERICHT