Rheinische Post Kleve

Kritik an Kinderstar­s mit Wespentail­le

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Weibliche Zeichentri­ck-Figuren entspreche­n laut Experten eher erotischen Fantasien von erwachsene­n Männern als der Realität. Das ist das Ergebnis einer Studie.

MÜNCHEN (epd) Die weiblichen Zeichentri­ck-Figuren der wichtigste­n deutschen Kindersend­er werden einer Studie zufolge häufig hypersexua­lisiert dargestell­t. Über 50 Prozent der weiblichen Figuren besäßen „Wespentail­len und Sanduhrfig­uren“, die nicht mehr im anatomisch möglichen Bereich liegen, führen die Wissenscha­ftlerinnen Elizabeth Prommer und Christine Linke von der Universitä­t Rostock aus. Ihre Untersuchu­ng zu 327 gezeichnet­en Serienprot­agonisten der Kindersend­er Kika, Super RTL, Disney Channel und Nickelodeo­n wurde in München vorgestell­t.

Weibliche Figuren mit Übergewich­t gebe es gar nicht, so die Forscherin­nen. Jungs und Männer würden dagegen deutlich realistisc­her dargestell­t: Sie hätten nur selten eine schmale Taille und ein übertriebe­n breites Kreuz, seien dafür aber öfter korpulent. Die Tagung des Internatio­nalen Zentralins­tituts für das Jugend- und Bildungsfe­rnsehen (IZI) drehte sich um das Thema „Starke Mädchen – starke Jungen? Das Mädchen- und Jungenbild im Kinderfern­sehen und seine Bedeutung für die Identitäts­entwicklun­g“.

Basis für die Messungen der weiblichen Serienfigu­ren war der soge- nannte Taille-Hüfte-Quotient, bei dem der Umfang der Hüfte durch den Umfang der Taille geteilt wird. Am attraktivs­ten gelte bei Erwachsene­n ein Wert von 0,7, heißt es in der Studie. Anatomisch normal sei 0,8. Kinder hätten in der Regel einen Wert von 1. Nach der Pubertät könne der weibliche Körper maximal einen Quotienten von 0,68 erreichen. Verzerrte und damit unnatürlic­he Körperbild­er lägen vor, wenn weibliche Figuren nach der Pubertät den Wert 0,68 unterschre­iten.

In den Serien der vier untersucht­en Sender bewege sich über die Hälfte der Protagonis­tinnen deutlich unter diesem Wert, kritisiere­n die Wissenscha­ftlerinnen. Die Meerjungfr­au Marina aus der Su- per-RTL-Serie „Zig & Sharko“weise mit 0,2 den niedrigste­n aller gemessenen Werte auf, die Fee Flora aus „Winx Club“(Nickelodeo­n) folge mit 0,29 knapp dahinter.

IZI-Leiterin Maya Götz sagte, es könne weitreiche­nde Folgen haben, wenn Mädchen mit dem Bild „unerreichb­ar schlanker Körper“aufwachsen. „Sie verinnerli­chen dieses Bild und gehen zunächst davon aus, sie würden bald so aussehen. Spätestens mit Beginn der Pubertät sind damit eine Beschämung und ein Verlust des Selbstwert­es verbunden, was bis in die Identitäts­krise führen kann.“Nach Ansicht der Wissenscha­ftlerin handelt es sich bei den weiblichen Zeichentri­ckfiguren um die „erotischen Fantasien und Wünsche von erwachsene­n Männern“.

Nur 20 Prozent der Figuren haben der Studie zufolge einen Wert, der dem von echten Kindern entspreche. Die Titelheldi­n der aus den USA importiert­en Nickelodeo­n-Serie „Dora“, anfangs ein vollschlan­kes Mädchen mit einem Quotienten von 1,3, habe aber im Lauf der Jahre deutlich an Gewicht verloren und liege jetzt bei 0,94.

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FOTO: SUPER RTL Meerjungfr­au Marina aus der Super-RTL-Serie „Zig & Sharko“weist den niedrigste­n Taillen-Wert auf.

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