Lebenswichtige Langeweile
Als Kind habe ich diese Zeiten gehasst – Zeiten der Langeweile. Heute als Erwachsener blicke ich fast ein wenig sehnsuchtsvoll auf diese Momente zurück. Heute habe ich ja gar nicht mehr die Chance, dass mir langweilig wird. Immer ist etwas. Auf der einen Seite die Verpflichtungen, die Termine, seien sie beruflich oder ganz privat. Die freien Zeiten sind heute genauso durchgeplant wie die Arbeitszeiten. Und auf der anderen Seite die schneller gewordenen Welt, die mir immer die Möglichkeit gibt, erreichbar zu sein, zu reagieren, zu agieren. Immer schneller und zu allen Zeiten. Ich merke, wie ich immer online bin, alles gleichzeitig tue, immer schon an das nächste und übernächste denke. Ich habe gar nicht mehr die Chance, dass mir langweilig werden könnte.
Schon Kurt Tucholsky kennt das: „Wenn einer mit einem spricht unterschreibt er Briefe. Wenn er Briefe unterschreibt, telefoniert er. Während er telefoniert, dirigiert er mit dem linken Fuß einen Konzern. Jeder hat fünfundvierzig Ämter. Sie glauben nicht, was ich alles zu tun habe! Ich glaube es auch nicht. Weil das, was sie da formell verrichten, kein Mensch wirklich tun kann. Es ist alles Fassade und dummes Zeug. Die paar vernünftigen Leute, die in Ruhe eine Sache nach der anderen erledigen, immer nur eine zur gleichen Zeit, haben viel Erfolg.“
Martin Luther hat es so gesagt: Wenn eins zum anderen kommt und ich nicht weiß, wie ich alles schaffen soll, dann setze ich mich hin und bete, ganz in Ruhe. Genau das will ja der Advent: uns auf Weihnachten vorbereiten, bereit machen. Eben uns selber vorbereiten, damit wir Ruhe finden. Uns hinsetzen, allein, in der Familie, mit Freunden. Bereit und still werden für das Wunder, das in einem kleinen Kind beginnen will. Damit wir es nicht überhören oder übersehen. Denn das kann nur all zu leicht geschehen.