Rheinische Post Kleve

Den Liedern ein Gesicht geben

- VON JULIA SCHÜSSLER

Türchen Nummer 1: Barbershop Blend aus Sonsbeck ist kein Chor wie jeder andere. Hier wird ohne Noten gesungen, dafür mit viel Mimik und Gestik. Die Tradition haben die Frauen aus

den Friseursal­ons der USA an den Niederrhei­n geholt.

NIEDERRHEI­N In der Eingangsha­lle der Johann-Hinrich-Wichern Grundschul­e wimmelt es von Frauen in blauen T-Shirts mit rotem Schriftzug, die wild durcheinan­der reden. Chorleiter Norbert Hammes schafft das scheinbar Unmögliche: Er bringt die 40 Frauenstim­men bei Barbershop Blend musikalisc­h unter einen Hut. Dabei entstehen zwar mitunter Disharmoni­en, aber die sind sogar gewollt. Denn der typische Barbershop-Gesang unterschei­det sich vom klassische­n Chor- gesang. „Ursprüngli­ch kommt der Barbershop-Stil aus amerikanis­chen Friseurläd­en, in denen sich die Männer mit Singen die Zeit vertrieben“, sagt die Sprecherin von Barbershop Blend, Sabine Joosten.

Es entstand ein vierstimmi­ger ACapella-Gesang, der zunächst bekannte Lieder improvisie­rte. Dabei können nach wie vor Töne entstehen, die für das normale Ohr disharmoni­sch klingen. „Aber diese Reibung ist erwünscht und typisch für diese Art von Gesang“, sagt Jutta Ludwig, ebenfalls Sprecherin des Chors. Ganz wichtig seien auch so- genannte Obertöne. „Die singt man nicht, sie entstehen durch das Zusammensp­iel der vier Stimmen und einer vernünftig­en Akustik.“

Was die Gründerin des Chors, Liz Döhring, im Jahr 1984 erstmals an den Niederrhei­n brachte, bringt bei Barbershop Blend heute jede Woche 40 Frauen zusammen. Norbert Hammes hat die Direktion über die Damen zwischen 20 und 60 Jahren. „Ich dulde keinen anderen Mann neben mir“, sagt er lachend. Der Leiter findet das Zusammenar­beiten mit den Frauen sehr unkomplizi­ert und abwechslun­gsreich. „Ich habe noch nie gehört: ,Das machen wir aber immer so’. Wir probieren alles aus.“

Besonders toll findet er auch den Umgang miteinande­r. „Ich war schon in vielen Chören, aber in noch keinem war das soziale Miteinande­r so stark wie in diesem“, sagt Hammes. Hier hilft man sich: Eine fehlende Stricklies­el oder ein spontaner Umzug seien noch nie ein Problem gewesen. „Dafür haben wir unsere Whatsapp-Gruppe“, ergänzt Sabine Joosten. Eine Besonderhe­it im Vergleich zu anderen Chören ist aber vor allem eines: „Wir singen ohne Noten und mit einer besonderen Performanc­e“, sagt Jutta Ludwig. Jeder Text müsse dazu auswendig gelernt und vor allem auch verstanden werden. „Zu englischsp­rachigen Liedern gibt es zum Beispiel immer eine deutsche Übersetzun­g dazu.“

Denn für die „besondere Performanc­e“, müsse die Musik gelebt werden. „Jede Musik hat eine starke emotionale Botschaft, und die drücken wir zusätzlich entweder mit einer Choreograp­hie oder dem Gesicht aus“, sagt Norbert Hammes. Besonders bei Weihnachts­liedern liege die Konzentrat­ion eher auf dem Gesicht. „Da sie eher besinnlich sind, sollte man das auch in den Bewegungen ausdrücken.“

Die Weihnachts­zeit verbringen die Mitglieder von Barbershop Blend auch gerne zusammen. „Wir machen fast jedes Jahr eine Weihnachts­feier in einer beheizten Scheune“, sagt Sabine Joosten. Jeder bringe dann etwas zum Essen mit. „Der Nikolaus kommt auch und hat für jeden was dabei“, ergänzt Jutta Ludwig.

Und nicht nur der mache allen eine Freude, sondern auch einzelne Mitglieder bringen für die anderen immer etwas mit. „Zum Abschluss singen wir noch zwei, drei Stücke und machen Schrottwic­hteln, was immer für begeistert­es Gekreische sorgt“, sagt Sabine Joosten. Und dann hört man sie wieder: die 40 Frauenstim­men, die wild durcheinan­derreden.

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