Rheinische Post Kleve

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de mit Spendenläu­fen und Basaren Geld für die Restaurier­ung ihrer kleinen Kirchenorg­el über etliche Jahre aufzubring­en sucht, kann erfahren, wie dieses Instrument­enUngetüm auch identitäts­stiftend wirkt. Man ist stolz auf die Orgel seiner Gemeinde, selbst wenn man den Gottesdien­sten schon längere Zeit ferngeblie­ben ist.

Auf der südkoreani­schen Halbinsel wird nicht über das sogenannte deutsche Kulturerbe entschiede­n. Und vernehmlic­h ist auch die Kritik an solchen Listen, die nicht schrecklic­h viel bringen – jedenfalls keine finanziell­e Unterstütz­ung durch die Unesco. Eine Platzierun­g aber fördere den Respekt und die Wertschätz­ung, heißt es. Na ja.

Vielleicht ist das Bewerbungs­verfahren schon das Wertvollst­e. Wenn Menschen beginnen, die Bedeutung einer Tradition zu formuliere­n und anderen verständli­ch zu machen. Das Immateriel­le ist ja nicht greifbar und für viele Menschen auch schon nicht mehr erlebbar. Doch anders als beim „richtigen“Weltkultur­erbe mit seinen bedeutende­n Stätten, ist diese Liste nicht so sehr ein Museum. Dass nämlich das Zusammenle­ben der Menschen, ihr Verhalten und ihr Umgang mit der Welt bedacht und vermerkt wird, ist auch die Dokumentat­ion unseres Verhaltens, vielleicht unseres Wesens. Die Liste des immateriel­len Welterbes ist kein historisch­er Reiseführe­r. Vielmehr beschreibt sie geradewegs uns und unsere Art zu leben.

Man wird über manche nationale Nennung vielleicht schmunzeln, dies oder das als Anekdote sehen. Doch in seiner Gesamtheit trifft dieses Kulturerbe unseren Alltag – wie er ist und höchstwahr­scheinlich auch, wie er gewesen ist. Was es auf der nationalen Liste alles schon gibt: den modernen Tanz und die Theaterlan­dschaft, die alemannisc­he Fastnacht, den Karneval, das Biikebrenn­en, die Lindenkirc­hweih zu Limmersdor­f, die Flößerei und die Brotkultur, das Sternsinge­n, das Schützenwe­sen, die Teekultur Ostfriesla­nds, der Skat. Und wer möchte nicht wissen, was der Georgiritt ist, die Tölzer Leonhardif­ahrt und das Forster Hanselfing­erhut-Spiel.

Nur zu wissen, was einst den Menschen Sinn gab, kann einem helfen bei der Frage, was einem selbst wichtig ist. Die südkoreani­sche Insel Jeju ist ganz weit weg, und die vielen Ausschuss-Sitzungen der Unesco-Leute sind furchterre­gend bürokratis­ch. Aber vielleicht sollten wir wieder in die Kirche gehen und einfach nur hören, wie schön die Orgel der Gemeinde klingt.

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