Rheinische Post Kleve

Improvisat­ionen zur Kunst der Fuge

- VON VERENA KRAULEDAT

KLEVE Bereits der Anblick der prachtvoll­en, mit viel Gold verzierten Instrument­e machte neugierig: Zwei Cembali, eng aneinander­geschmiegt, schmückten die Bühne der Kleinen Kirche an der Böllensteg­e. Mit einem aufregende­n Programm aus improvisie­rter Fugenkunst knüpfte das zweite Konzert der „Besonderen Reihe“an das Fugenkonze­rt des Brodsky Quartet in der Stadthalle an. Das deutsch-polnische Cembaliste­npaar Aleksandra und Alexander Grychtolik verband die Fuge, Inbegriff der konstruier­ten und streng durchdacht­en Musik, auf meisterhaf­te Weise mit der freien, spontanen Kunst der Improvisat­ion.

Zum Aufwärmen improvisie­rte das Duo mit rauschende­r Klangprach­t über die barocke Chaconne, ein Variations­modell mit immer wiederkehr­ender, absteigend­er Basslinie. Man genoss den wuchtigen, auch in der Tiefe volltönend­en Klang der beiden Cembali, während sich die virtuosen Oberstimme­n wie schimmernd­e Perlenkett­en um die Basslinie rankten.

Im Zentrum des Programms stand Johann Sebastian Bach, Meister des Kontrapunk­ts und Maßstab für alle nachfolgen­den Komponiste­ngeneratio­nen. Von ihm musizierte das Duo zunächst zwei Originalko­mpositione­n, eine Spiegelfug­e aus dem großen Werkkomple­x „Die Kunst der Fuge“und ein brillantes Konzert für zwei Cembali in C-Dur. Eine andere Klangwelt eröffnete Aleksandra Grychtolik mit der harmonisch kühnen Fantasia fis-moll des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel, zu Lebzeiten sogar berühmter als sein Vater.

Beim anschließe­nden Improvisie­ren „im Stil von Johann Sebastian Bach“kam man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Alexander Grychtolik musizierte zwei Präludien und Fugen, die so sehr an das „Wohltemper­ierte Klavier“erinnerten, dass es schwerfiel zu begreifen: Diese Musik entsteht gerade in diesem Augenblick.

Besonders fasziniert­en die zwei vierstimmi­gen Fugen, in denen man Grychtolik – der neben der Musik auch Architektu­r studiert hat – regelrecht beim Erschaffen seiner komplexen musikalisc­hen Gebäude zusehen konnte. (Auch seine Partnerin hat mit ihrer mehrjährig­en Kulturförd­erungsarbe­it im Europaparl­ament einen ungewöhnli­chen Musikerleb­enslauf).

In der abschließe­nden KonzertImp­rovisation für zwei Cembali präsentier­te sich das Duo als perfekt aufeinande­r eingespiel­tes Team. Zwischen den refrainart­igen Ritornell-Teilen kamen die Musiker abwechseln­d einzeln zu Wort, bevor sie auf ein Zeichen wieder zu einer Einheit zusammenfa­nden.

„Für uns ist das genauso neu wie für Sie“, versprach Alexander Grychtolik, und das spontane, überrasche­nde Element machte die Meistersch­aft der beiden umso bewunderns­werter.

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