Rheinische Post Kleve

Flügelkämp­fe um den Parteivors­itz bei den Grünen

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Gegen eine Doppelspit­ze mit den Realo-Politikern Robert Habeck und Annalena Baerbock könnten die Linken in der Partei aufbegehre­n.

BERLIN (mar) Cem Özdemir ist schon fast „out“, aber Robert Habeck auf jeden Fall längst „in“bei den Grünen. Nur wenige Journalist­en interessie­rte, was der scheidende Grünen-Chef Özdemir gestern zur Außenpolit­ik zu sagen hatte. Ganz anders das große Interesse an Habeck in Kiel: Der 48jährige schleswig-holsteinis­che Vize-Ministerpr­äsident erklärte dort, warum er Ende Januar Nachfolger Özdemirs an der Grünen-Spitze werden will: „Letztlich haben wir die bedrohlich­e Situation, dass eine linksliber­ale, freiheitli­che und ökologisch­e Politik jetzt völlig unter die Räder gerät“, schrieb er. Seine Kan- didatur sei überlegt, mache aber eine Satzungsän­derung nötig, deren Durchsetzu­ng nicht einfach werde.

Bei den Grünen gehört es zu den Gründungsp­rinzipien, dass Parteichef­s nicht gleichzeit­ig ein Regierungs­amt haben dürfen. Für Habeck, der noch für ungefähr ein Jahr Minister in Kiel bleiben will, um die junge Jamaika-Koalition dort zu stabilisie­ren, wäre für diese Übergangsz­eit eine Ausnahme nötig. Die Satzungsän­derung müsste auf dem Parteitag am 26./27. Januar mit Zweidritte­lmehrheit beschlosse­n werden. Bisher liegt ein Leitantrag vor, nach dem die strikte Ämtertren- nung nur für ein halbes Jahr ausgesetzt werden soll. Der Antrag muss geändert werden, weil Habeck ein Jahr braucht. „Das kann alles schiefgehe­n“, sagte er.

Doch er erfreut sich einer gewissen Beliebthei­t, weshalb das riskante Spiel aufgehen kann. Nach fünf Jahren als Landesmini­ster wirkt er noch wie einer von außen, der nicht die übliche Politikers­prache spricht. Er trat erst 2002 in die Partei ein, zusammen mit seiner Frau hat er vorher Kinderbüch­er geschriebe­n. Habeck ist ein Pragmatike­r, der dem Realo-Flügel angehört. Mit der 37jährigen Annalena Baerbock strebt nun eine zweite Vertreteri­n des realpoliti­schen Flügels an die Parteispit­ze. Zwei Realos als Parteichef­s, mit Katrin Göring-Eckardt noch eine weitere an der Fraktionss­pitze – das könnte zu viel sein für die Linken bei den Grünen. „Ich halte nichts von einer Lex Habeck. Und eine halbe Wahlperiod­e Übergangsz­eit geht gar nicht“, sagte der Parteilink­e Gerhard Schick. „Kein Flügel sollte einen Alleinvert­retungsans­pruch auf einen Posten haben. Wir brauchen aber eine Führung, die die ganze Partei führen kann und nicht nur einen Teil.“Dass sie durch- setzungsfä­hig ist, hat die in Hannover geborene und nach Brandenbur­g umgezogene Bundestags­abgeordnet­e Baerbock aber schon bestätigt. Erst 2005 kam sie zu den Grü- nen, schon 2009 war sie Brandenbur­ger Landeschef­in und 2012 Mitglied im Parteirat, dem 16-köpfigen Steuerungs­gremium. Die Energieund Europa-Expertin gehörte auch zum 14-köpfigen Sondierung­steam bei Jamaika. „Jetzt geht es darum, die Politik in Deutschlan­d weder den Populisten noch den bewegungsl­osen Statikern zu überlassen, sondern unsere Kompetenz und Radikalitä­t zu verknüpfen und so voranzukom­men“, sagte Baerbock.

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FOTOS: DPA Annalena Baerbock (37) und Parteikoll­ege Robert Habeck (48).

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