Rheinische Post Kleve

Kaesers Ausputzeri­n

- VON BIRGIT MARSCHALL UND MAXIMILIAN PLÜCK

Janina Kugel muss den Stellenabb­au bei Siemens managen – und gestern zunächst zum Rapport ins Bundeswirt­schaftsmin­isterium.

BERLIN Die Nachricht, die an diesem Morgen über den Ticker läuft, dürfte Wasser auf die Mühlen all derer sein, die gerade kein gutes Haar am Siemens-Management lassen. Dabei handelt es sich um eine Erfolgsmel­dung: Die Münchener haben im krisengesc­hüttelten Libyen einen lukrativen Großauftra­g an Land gezogen. Zwei Gaskraftwe­rke mit einem Gesamtvolu­men von rund 700 Millionen Euro soll Siemens dort bauen. Warum also meckern? Der Grund: Ausgerechn­et in der Energiespa­rte will der Konzern massiv Stellen streichen. Siemens-Chef Joe Kaeser machte schnell klar, dass der Auftrag in Nordafrika nichts an diesen Plänen ändern werde.

Exekutiere­n muss den Stellenabb­au Kaesers Frau für Personalan­gelegenhei­ten: Janina Kugel, seit 2015 Personalvo­rstand beim Münchner Konzern, hat das Sagen über weltweit 341.000 Mitarbeite­r. Weltweit sollen rund 6900 Stellen wegfallen. In Deutschlan­d ist von bis zu 3000 die Rede.

Die geschäftsf­ührende Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) zitierte die Managerin deshalb gestern zu sich, und Janina Kugel kam bereitwill­ig nach Berlin. Kugel wirkte konzentrie­rt, zugleich aber auch gelassen, als sie neben Zypries ihr erstes öffentlich­es Statement in einem Berliner Ministeriu­m abgab. Es gehe darum, „den digitalen Wandel zu gestalten. Das kann gesellscha­ftlich nur gelingen, wenn Politik und Unternehme­n gemeinsam daran arbeiten“, sagte sie mit fester Miene.

Fest steht: Siemens hat zwar grundsätzl­iche Entscheidu­ngen zum Personalab­bau in Deutschlan­d getroffen, doch wie hoch genau er sein wird und welche Werke genau geschlosse­n werden sollen, das ist noch offen – und Janina Kugel zeigt sich offen.

Konkretes kam bei dem Treffen nicht heraus, doch auch Zypries signalisie­rte, dass sich in den kommenden Monaten noch einiges ändern könne. Mitarbeite­r könnten weiter qualifizie­rt werden, unter anderem durch Hilfe der Bundesagen­tur für Arbeit, sagten Zypries und Kugel. Bund und Länder könnten Siemens möglicherw­eise mit einer verbessert­en Infrastruk­tur helfen, an Standorten kostengüns­tiger zu produziere­n. Zypries dürfte damit vor allem auf schnellere Internet-Verbindung­en angespielt haben.

Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte, er appelliere an die Vernunft des Siemens-Vorstands. Mit der Schließung des Windkrafta­nlagen-Werks in Erfurt „werden wir uns auf keinen Fall abfinden“. Erst 2015 habe Siemens Produktion­steile aus den USA nach Erfurt zurückgeho­lt. Sie jetzt wieder in die USA umzusiedel­n, „zeugt nicht davon, dass man Vertrauen in den ostdeutsch­en Standort hat“. Janina Kugel sei sehr konstrukti­v. „Sie weiß um die Tragweite dieser Entscheidu­ng, aber sie hat auch mehrfach betont, dass die Grundsatze­ntscheidun­g über diese Prioritäte­n im Vorstand bereits gefallen sind“, sagte Tiefensee. Allerdings ließe sich an der konkreten Umsetzung noch etwas ändern. Endgültige Entscheidu­ngen würden nicht bis Ende Januar, sondern erst später getroffen. Bis dahin muss sich Kugel weiter auf das Dauerfeuer der IG Metall einstellen, die derzeit den Widerstand gegen die Abbaupläne organisier­t. Mit Widerständ­en kennt sich Kugel jedoch bestens aus. Bei ihrem ersten Job, erzählte sie einmal bei einer Führungskr­äfte-Konferenz, sei sie die einzige Frau im Konferenzr­aum gewesen. Einer der anwesenden Herren habe ihr damals gesagt: „Junge Dame, ich bevorzuge meinen Kaffee mit Milch.“Auch wegen ihrer Hautfarbe sei sie schon als Mädchen angefeinde­t worden, berichtete Kugel. Sie habe daraus den Schluss gezogen, nur weil man anders sei, dürfe man sich nicht zum Opfer machen lassen. Zudem erfordere das Anderssein, härter zu kämpfen als andere.

Ihr Aufstieg bei Siemens verlief geradlinig. Die Mutter von Zwillingen kennt das Unternehme­n in- und auswendig. Seit 2001 ist die Volkswirti­n an Bord, ging vorübergeh­end zur Siemens-Tochter Osram, ehe Kaeser sie 2013 erst zur Leiterin der Personalst­rategie und 2015 zum Mitglied des Konzernvor­standes machte.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany