Rheinische Post Kleve

Die Armut der Heiligen Familie

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In der englischen Lieder-Tradition wird nicht zwischen Advents- und Weihnachts­liedern unterschie­den; jedoch tragen nur die traditione­llen englischen Kompositio­nen den Namen „Christmas Carol“– die anderen sind einfach nur „songs“. „Once In Royal David’s City“(übersetzt: Einst in der königliche­n Stadt Davids) gehört zu den englischen Christmas Carols und wurde ursprüngli­ch als Gedicht von Cecil Humphreys verfasst. Sie heiratete kurz darauf Willem Alexander, der 1867 Bischof der Church of Ireland wurde. 1848 erschien ihr Text in sechs Strophen erstmals im Gesangbuch „Hymns for little children“und ein Jahr später komponiert­e Henry John Gauntlett, ein außerorden­tlich begabter Organist und Orgelbauer, eine Melodie dazu.

Die „city“, um die es geht, ist laut Neuem Testament Bethlehem, die Geburtssta­dt Jesu und seines Vorfahren Davids. Cecil Alexander verwendet die typische Sentimenta­lität der viktoriani­schen Epoche, um die Geburt Jesu auszumalen, und genau daher ist die Wirkung des Textes so aufrichtig und nahegehend. Sie unterstrei­cht, dass der Erlöser nicht inmitten pompöser Pracht und Herrlichke­it geboren wird, sondern unter ärmlichen, unvorherse­hbaren Umständen. Der Höhepunkt steckt in „He was little, weak, and helpless, tears and smiles, like us He knew”, da wir als Hörer wissen, dass die Verletzlic­hkeit des Kindes das Potential für größte Stärke in sich trägt. Die Armut und Einfachhei­t der Heiligen Familie ist ein bedeutende­r Gegenpol zu einem heutigen, konsumorie­ntierten Weihnachts­fest.

Seit 1919 eröffnet die Kapelle des King’s College in Cambridge ihren Gottesdien­st am Heiligaben­d mit „Once In Royal David’s City“als Eingangsli­ed, um die Prozession „Festival of Nine Lessons and Carols“um Saint Thomas zu begleiten. Die erste Strophe wird von einem Mitglied des „Choir of King’s Chapel“solo gesungen, die zweite Strophe vom gesamten Chor und ab der dritten Strophe singt die Gemeinde auch mit. Millionen von Zuhörern verfolgen im Rundfunk die Live-Übertragun­g der Weihnachts­andacht und das Lied war die erste Aufnahme des King’s College Choir überhaupt im Jahr 1948. Es ist bis ins südliche Afrika in mehreren Landesspra­chen verbreitet und hat durch Sänger Sufjan Stevens Einzug in die heutige Popkultur erhalten.

In Kalkar erklingt „Once In Royal David’s City“dieses Jahr an Weihnachte­n (in einem Arrangemen­t von David Wilcox), gesungen von der Nikolaus-Kantorei unter Leitung von Jan Szopinski in der St. Nicolai-Kirche.

BARBARA MÜHLENHOFF

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