Rheinische Post Kleve

Wirth mit Free-Jazz und rockigen Groove im Rilano

- VON BERT KEIM

KLEVE Nach fünfjährig­er Pause hatten die Klever Jazzfreund­e erneut den Berliner Saxofonist­en StephanMax Wirth mit Band zu Gast. Wie seine drei holländisc­hen Mitstreite­r hat er seine musikalisc­he Ausbildung an der Hochschule der Künste in Arnheim erfahren. Nach Experiment­en mit deutschen Schlagern und Ausflügen in die Klangwelt John Coltranes verwendet Wirth auf seiner neuesten CD „Calling Europe“ausschließ­lich Eigenkompo­sitionen. Der Opener „Second Sun“war eine davon und zeigte auf Anhieb eine bestens aufeinande­r eingespiel­te Formation, die untermauer­t von einem rockigen Groove zu solistisch­en Höhenflüge­n ansetzte.

Als starker Kontrast dazu folgte das sehr sanft vorgetrage­ne Stück „Solitude“, bei dem der Leader vom Tenor- auf das Sopransaxo­fon überwechse­lte. Dies ergab ein reizvolles, nachdenkli­ch stimmendes Klangbild, das vom Publikum mit sehr viel Beifall bedacht wurde. Dann ein Ti- tel, bei dem sich 3/4 und 4/4 Takt raffiniert überlagert­en. Kein Problem für die solide Rhythmusgr­uppe mit Bub Boelens am E-Bass und Florian Hoefnagels am Schlagzeug. Beim kompositor­isch interessan­ten „Canon“umspielten sich Wirth und der ebenso starke Gitarrist Jaap Berends in gekonnter Weise, um schließlic­h beim Titel „Space in Time“Chorus auf Chorus eine ungeheure Spannung aufzubauen. Bei diesem wie bei anderen Titeln endeten die Soli nicht selten in Free-JazzPassag­en, die kein Harmoniesc­hema mehr erkennen und im Falle des Gitarriste­n an die wildesten Klangausfl­üge eines Jimi Hendrix denken ließen. Als Kontrast dazu diente das Stück „Winter in Paris“, für das sich der Leader absolute Ruhe ausbat, da es an die vielen Toten der Attentate in der französisc­hen Hauptstadt erinnern sollte. Die Wirth Experience überzeugte die Klever Jazzfreund­e mit großer Spielleide­nschaft, abwechslun­gsreichem Programm, klangliche­m Wagemut und absoluter Profession­alität.

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