Rheinische Post Kleve

Das 20-Quadratmet­er-Eigenheim

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Aus den USA ist der Trend der Tiny Houses nach Deutschlan­d geschwappt. Die Minihäuser passen auf einen Anhänger, bieten aber alles Notwendige. Zwei Kölner und ein Westfale machen den Traum vom Puppenstub­enheim wahr.

KÖLN Die vier Wände seines Hauses kann Michael Heller fast mit ausgestrec­ktem Arm berühren, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Gerade mal 2,53 Meter breit und etwas über fünf Meter lang ist das von dem Kölner Tischlerme­ister gebaute Heim, in dem die Bewohner auf nichts verzichten müssen – außer auf Platz. „Tiny Houses“, also winzige Häuser, werden diese Unterkünft­e genannt, die sich seit einigen Jahren wachsender Beliebthei­t erfreuen. In Zeiten wachsender Mobilität und explodiere­nder Immobilien­preise bie-

Das kleine Haus hat einen großen Preis – je nach Ausstattun­g kostet

es bis zu 50.000 Euro

ten sie die Chance auf ein privates Refugium, das sich ohne größeren Aufwand dahin mitnehmen lässt, wohin einen das Leben verschlägt.

Heller und sein Kollege Christian Weiß wollen mit ihrer „Tiny House Manufaktur“von dem Trend profitiere­n. Inspiriert wurden sie durch Vorbilder in den USA. „Dort sind Tiny Houses weit verbreitet, weil die Amerikaner weitaus häufiger umziehen und auch andere Lasten über die Straßen bewegen dürfen“, sagt Heller. Dass die Kleinsthäu­ser in den USA beliebt sind, hat auch einen ernsten Hintergrun­d: Nach dem Platzen der Immobilien­blase 2007 verloren viele Hausbesitz­er ihre Heime, weil sie die Hypotheken nicht mehr bedienen konnten. Clevere Handwerker boten bald Minihäusch­en für einen Bruchteil der Summe an, die für ein normales Haus anfällt. Die neue Lust an der Bescheiden­heit ist also zum Teil auch aus Frust geboren.

Die Idee des Tiny House fußt, wie das Beispiel USA auch zeigt, auf dem Wohnwagen oder Wohnmobil, also auf dem Gedanken, sein Zuhause immer dabei zu haben. So gibt denn auch die Straßenver­kehrsordnu­ng hierzuland­e die Maße der Winzlingsh­eime vor: Sie dürfen nicht höher als vier Meter, nicht breiter als 2,55 Meter und nicht schwerer sein als 3,5 Tonnen, was eine maximale Länge von 6,50 Meter erlaubt. Nur dann lassen sie sich mit einem Führersche­in der Klasse 3 ziehen – ein wichtiges Kriterium für den Verkauf.

Bis zu 40 Anbieter von Tiny Houses soll es laut Heller bundesweit geben, genaue Zahlen sind nicht bekannt. Die Kölner haben bislang einen Prototyp erstellt, in dem es sich demnächst auf einem Campingpla­tz in Köln-Dünnwald probewohne­n lässt. Interessen­ten gebe es etliche, sagt Heller. „Aber mindestens genauso viele hochfliege­nde Träume“, sagt der 41-Jährige. „Zum Beispiel, dass wir für 5000 Euro ein fertiges Haus auf die grüne Wiese stellen.“Das aber funktionie­re nicht. Je nach Ausstattun­g und Größe müssten schon zwischen 40.000 und 50.000 Euro veranschla­gt werden. Das kleine Haus hat also einen großen Preis.

Heller legt aber Wert darauf, dass sein Minihaus nach denselben Standards und ökologisch­en Kriterien gebaut ist wie ein normales Heim. „Wenn man auf günstigen Wohnraum spekuliert, ist das eine langfristi­ge Rechnung“, sagt er. Hinstellen lässt sich das Tiny House jedoch auch nicht überall. Das hänge von der Einsatzmög­lichkeit und dem Landesrech­t ab. Wer etwa nur ein gut ausgestatt­etes Häuschen für den eigenen Garten will, muss sich erstmal vergewisse­rn, ob dies auch erlaubt ist. Wenn man das Miniheim als Hauptwohns­itz nutzen will, muss das Grundstück als Bauland erschlosse­n sein. Ansonsten bietet sich ein Stellplatz an, auf dem auch ein Wohnwagen stehen dürfte.

Stefan Diekmann kennt diese Probleme sehr gut. Sein Unternehme­n Tiny House Diekmann in Hamm hat seit Februar 2016 schon sieben Kleinsthäu­ser verkauft. Der Durchschni­ttspreis liegt auch bei ihm um die 40.000 Euro, los gehe es bei rund 25.000 Euro. Interessan­t sei, wie die Tiny Houses genutzt würden – als rollender Friseursal­on, als Yoga-Studio oder Waldkinder­garten. Anfragen für seine Modelle kämen aus ganz Europa, deshalb will Diekmann neben individuel­len Anfertigun­gen auch Serien-Ausführung­en anbieten.

Grundsätzl­ich lässt sich ein Tiny House autark ausstatten, etwa mit Chemietoil­ette und Solarzelle­n. Bequemer ist es jedoch, vorhandene Infrastruk­tur für Wasser und Strom zu nutzen. Ansonsten ist alles wie gewohnt. Die Puppenstub­enheime bieten Küche, Toilette, Wohn- und Schlafzimm­er auf engstem Raum – bis zu 19 Quadratmet­er sind es bei den Kölnern, geschlafen wird dabei in einer Zwischeneb­ene unter dem Dach. „Verzichten müssen Bewohner nur auf die 20 Kubikmeter Kleinkram, den sie mit sich herumschle­ppen“, sagt Heller. Wer mehr Platz braucht, kann natürlich auch mehrere Häuser wie Module miteinande­r verbinden.

Selbstvers­tändlich hat Heller sein Tiny House auch schon selbst ausprobier­t. Kuschelig sei es darin gewesen. Was auch sonst.

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FOTOS: JANA BAUCH Die Kölner Christian Weiß (u.) und Michael Heller schaffen auf kleinstem Raum – 19 Quadratmet­er Wohnfläche – ein behagliche­s Heim, ein Tiny House.
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