Rheinische Post Kleve

Kim Jong Uns vergiftete­s Angebot

- VON JOHNNY ERLING

Nordkoreas Diktator macht Südkorea überrasche­nde Avancen. Doch Experten warnen.

PEKING Die Drohungen von Machthaber Kim Jong Un in seiner Neujahrsre­de, er wolle Nordkorea noch stärker atomar aufrüsten, machten Schlagzeil­en. Doch es handelte sich nur um den ersten Teil seiner Neujahrsan­sprache, erst Stunden später erschien die komplette Rede. In Asien, besonders in Südkorea, schlug die Stimmung wieder um – denn plötzlich warb Kim gleich mit einem Strauß von Olivenzwei­gen um bessere Beziehunge­n zu Seoul.

Südkorea solle ihm seine „ernsthafte­n Bemühungen um eine Entspannun­g“abnehmen. Kim versprach, seine „Türen für jeden aus Südkorea zu öffnen“und schlug vor, die vom 9. bis 25. Februar dauernden Olympische­n Winterspie­le in Pyeongchan­g „als guten Anlass“zu nehmen, um ein „günstiges Klima zur nationalen Aussöhnung“zu erzeugen. Nordkorea wolle nun auch eine Delegation zu den Winterspie­len schicken. Dafür sollten sich die Behörden beider Seiten bald treffen.

Was steckte hinter diesem Wechselspi­el in Kims Neujahrsre­de? Seine Polemik gegen die USA und seine Avancen an Südkorea sind so dick aufgetrage­n, dass sie unglaubhaf­t wirken. Seouls Regierung nimmt sie offenbar für bare Münze, obwohl viele Stimmen aus den USA warnen, dass Kim vor allem Südkorea und die USA auseinande­rdividiere­n wolle. Präsident Moon Jae-in sieht dennoch seine Chance gekommen, die Arme zum Willkommen auszubreit­en, obwohl ihm Kim immer wieder übel mitgespiel­t hatte.

Seit seinem Amtsantrit­t im Mai 2017 hatte Moon Pjöngjang vergeblich die Wiederaufn­ahme des bilaterale­n Dialogs angeboten, den Nordund Südkorea zuletzt im Dezember 2015 geführt hatten. Kim ignorierte selbst seine Vorschläge für ein vom internatio­nalen Roten Kreuz organisier­tes Treffen vergangene­n Juli. Zudem ließ er ihn durch seine wiederholt­en Raketentes­ts vorführen und von der Propaganda als untertänig­er Diener der USA und Vaterlands­verräter schmähen.

Doch nur wenige Stunden nachdem die Botschaft Kims bekannt war, kam von der im Präsidente­npalast einberufen­en Kabinettsr­unde erste positive Resonanz mit einer verblüffen­den Aussage: Ohne Vorbedingu­ng sei Seoul bereit, so hieß es nach Meldungen der südkoreani­schen Nachrichte­nagentur Yonhap, sich „zu jeder Zeit, an jedem Platz und in jedem Format “mit Vertretern Nordkoreas zu treffen. Moon wies zudem seine Ministerie­n für Einheit und für Kultur und Sport an, alles für die Wiederaufn­ahme des Süd-Nord-Dialogs vorzuberei­ten mit dem Ziel, dass Nordkoreas Dele- gation an den Spielen in Pyeongchan­g teilnehmen kann.

So schnell ging das alles vor sich, dass Einheitsmi­nister Cho Myounggyon gestern ein erstes Treffen hochrangig­er Delegation­en beider Länder für nächsten Dienstag im Waffenstil­lstandsort Panmunjom vorschlug. Eine Antwort aus Pjöngjang blieb bisher aus. Überrascht wurden auch das noch schlafende Washington, in dem sich US-Präsident Donald Trump in Sachen Nordkorea alle – auch militärisc­he Optionen – offenhält.

Auch Peking musste Kims Rede erst verdauen. Der Sprecher des Außenminis­terium, Geng Shuang, wählte seine Worte mit Bedacht: Peking sehe „positive Signale“, wenn Nord- und Südkorea ihre Beziehunge­n verbessert­en. „Das ist eine gute Sache.“China würde es allerdings begrüßen, wenn Nord und Süd den Anlass der Spiele auch nutzen, um sich gemeinsam zu bemühen, die „Lage auf der koreanisch­en Halbinsel zu entspannen und diese atomwaffen­frei werden zu lassen“.

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FOTO: RTR Kim Jong Un bei seiner Neujahrsan­sprache in Pjöngjang.

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